Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

400 Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürstentag. 
  
splenetic and rash 1) in einem ungewöhnlichen Grade; und wenn 
die persönliche Verstimmung des Grafen Buol über unfreund- 
liche Formen des Kaisers Nicolaus mehr als über politische 
Differenzen hingereicht hatte, die östreichische Politik in der Linie 
der bekannten Schwarzenbergischen Undankbarkeit (Nous éton- 
nerons I’Europe par notre ingratitude) :) dauernd festzuhalten, 
so durfte man sich der Möglichkeit nicht verschließen, daß die 
sehr viel schwächern Bindemittel zwischen dem Grafen Rechberg 
und mir von irgend welcher Fluthwelle weggeschwemmt werden 
könnten. Der Kaiser Nicolaus hatte zu dem Glauben an die 
Zuverlässigkeit seiner Beziehungen zu Oestreich viel stärkere 
Unterlagen als wir zur Zeit des dänischen Krieges. Er hatte 
dem Kaiser Franz Joseph einen Dienst erwiesen, wie kaum je 
ein Monarch seinem Nachbarstaat gethan ), und die Vortheile 
der gegenseitigen Anlehnung im monarchischen Interesse der 
Revolution gegenüber, der italienischen und ungarischen so gut 
wie der polnischen von 1846, fielen für Oestreich bei dem Zu- 
sammenhalten mit Rußland noch schwerer in das Gewicht als 
bei dem mit Preußen 1864 möglichen Bunde. Der Kaiser Franz 
Joseph ist eine ehrliche Natur, aber das östreichisch-ungarische 
Staatsschiff ist von so eigenthümlicher Zusammensetzung, daß 
seine Schwankungen, denen der Monarch seine Haltung an Bord 
anbequemen muß, sich kaum im Voraus berechnen lassen. Die 
centrifugalen Einflüsse der einzelnen Nationalitäten, das Inein- 
andergreifen der vitalen Interessen, die Oestreich nach der deut- 
schen, der italienischen, der orientalischen und der polnischen Seite 
hin gleichzeitig zu vertreten hat, die Unlenksamkeit des ungarischen 
Nationalgeistes und vor Allem die Unberechenbarkeit, mit der 
1) Shakespeare, Hamlet V, Sc. 1, v. 285, doch heißt es dort nicht 
splenetic, sondern splenitive and rash (jäh und heftig). 
:) Wir werden Europa durch unsere Undankbarkeit in Erstaunen 
setzen. 
2) S. o. S. 247.
	        
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