Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

404 Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern. 
  
Versailles, 27. November 1870 7). 
Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König, 
Für die huldreichen Eröffnungen, welche mir Graf Holnstein 
nach Befehl Eurer Mcjestät gemacht hat, bitte ich Allerhöchst- 
dieselben den ehrfurchtsvollen Ausdruck meines Dankes gnädig 
entgegennehmen zu wollen. Mein Gefühl der Dankbarkeit 
gegen Eure Mgcjestät hat einen tieferen und breiteren Grund 
als den persönlichen in der amtlichen Stellung, in welcher ich 
die hochherzigen Entschließungen zu würdigen berufen bin, durch 
welche Eure Majestät bei dem Beginn und bei dem bevor- 
stehenden Ende dieses großen National-Krieges der Einigkeit 
und der Macht Deutschlands den Abschluß gegeben haben. 
Aber es ist nicht meine, sondern die Aufgabe des deutschen 
Volkes und seiner Geschichte, dem durchlauchtigen Bairischen 
Hause für Eurer Mcjestät deutsche Politik und für den Helden- 
muth Ihres Heeres zu danken. Ich kann nur versichern, daß 
ich, so lange ich lebe, Eurer Majestät in ehrfurchtsvoller Dank- 
barkeit anhänglich und ergeben sein und mich jederzeit glücklich 
schätzen werde, wenn es mir vergönnt wird, Eurer Mocjestät 
zu Diensten sein zu können. 
Bezüglich der deutschen Kaiserfrage ist es nach meinem ehr- 
furchtsvollen Ermessen vor Allem wichtig, daß deren Anregung 
von keiner andern Seite wie von Eurer Majestät, und nament- 
lich nicht von der Volksvertretung zuerst ausgehe. Die Stellung 
würde gefälscht werden, wenn sie ihren Ursprung nicht der freien 
und wohlerwogenen Initiative des mächtigsten der dem Bunde 
beitretenden Fürsten verdankte. Ich habe mir erlaubt, dem 
Grafen Holnstein den Entwurf einer etwa an meinen aller- 
gnädigsten König und, mit den nöthigen Aenderungen der 
1) Das in der Ausgabe von 1898 nach einem Concept abgedruckte 
Schreiben ist hier nach dem Facsimile in L. v. Kobell, König Ludwig II. 
und Fürst Bismarck im Jahre 1870 (Leipzig 1899) gegeben.
	        
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