Bei der Prinzessin Augusta. Versuch zum König zu gelangen. 27
Ich fuhr nach Berlin. Vom Vereinigten Landtage her
vielen Leuten von Ansehn bekannt, hatte ich für rathsam ge-
halten, meinen Bart abzuscheeren und einen breiten Hut mit
bunter Kokarde aufzusetzen. Wegen der gehofften Audienz war
ich im Frack. Am Ausgange des Bahnhofes war eine Schüssel
mit einer Aufforderung zu Spenden für die Barrikadenkämpfer
aufgestellt, daneben ein baumlanger Bürgerwehrmann mit der
Muskete auf der Schulter. Ein Vetter von mir , mit dem
ich beim Aussteigen zusammengetroffen war, zog die Börse.
„Du wirst doch für die Mörder nichts geben,“ sagte ich, und
auf einen warnenden Blick, den er mir zuwarf, „und Dich vor
dem Kuhsuß nicht fürchten?" Ich hatte in dem Posten schon
den mir befreundeten Kammergerichtsrath Meier erkannt, der
sich auf den „Kuhfuß“ zornig umwandte und dann ausrief:
„I Jotte doch, Bismarck! wie sehn Sie aus! Schöne Schwei-
nerei hier!“
Die Bürgerwache im Schlosse fragte mich, was ich dort
wolle. Auf meine Antwort, ich hätte einen Brief des Prinzen
Karl an den König abzugeben, sagte der Posten, mich mit miß-
trauischen Blicken betrachtend, das könne nicht sein; der Prinz
befinde sich eben beim Könige. Erstrer mußte also noch vor
mir von Potsdam abgereist sein. Die Wache verlangte den
Brief zu sehn, den ich hätte; ich zeigte ihn, da er offen und
der Inhalt unverfänglich war, und man ließ mich gehn, aber
nicht in's Schloß. Im Gasthof Meinhard, parterre, lag ein
mir bekannter Arzt im Fenster, zu dem ich eintrat. Dort schrieb
ich dem Könige, was ich ihm zu sagen beabsichtigt hatte. Ich
ging mit dem Briefe zum Fürsten Boguslaw Radziwill, der
freien Verkehr hatte und ihn dem Könige übergeben konnte.
Es stand darin u. A., die Revolution beschränke sich auf die
großen Städte und der König sei Herr im Lande, sobald er
1) v. Bismarck-Briest.