36 Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.
mäßigen Zustande zuführen kann, und aus diesem Grunde
werde ich demselben meine geringe Unterstützung überall wid-
men, wo es mir möglich ist. Was mich aber veranlaßt, gegen
die Adresse, zu stimmen, sind die Aeußerungen von Freude und
Dank für das, was in den letzten Tagen geschehn ist. Die
Vergangenheit ist begraben, und ich bedaure es schmerzlicher
als Viele von Ihnen, daß keine menschliche Macht im Stande
ist, sie wieder zu erwecken, nachdem die Krone selbst die Erde
auf ihren Sarg geworfen hat. Aber wenn ich dies, durch die
Gewalt der Umstände gezwungen, acceptire, so kann ich doch
nicht aus meiner Wirksamkeit auf dem Vereinigten Landtage
mit der Lüge scheiden, daß ich für das danken und mich freuen
soll über das, was ich mindestens für einen irrthümlichen Weg
halten muß. Wenn es wirklich gelingt, auf dem neuen Wege,
der jetzt eingeschlagen ist, ein einiges deutsches Vater-
land, einen glücklichen oder auch nur gesetzmäßig geordneten
Zustand zu erlangen, dann wird der Augenblick gekommen
sein, wo ich dem Urheber der neuen Ordnung der Dinge
meinen Dank aussprechen kann, jetzt aber ist es mir nicht
möglich.“
Ich wollte mehr sagen, war aber durch innre Bewegung
in die Unmöglichkeit versetzt, weiter zu sprechen, und verfiel
in einen Weinkrampf, der mich zwang, die Tribüne zu ver-
lassen.
Wenige Tage zuvor hatte mir ein Angriff einer Magde-
burger Zeitung Anlaß gegeben, an die Redaction das nach-
stehende Schreiben zu richten, in welchem ich eine der Er-
rungenschaften, das stürmisch geforderte und durch die Auf-
hebung der Censur gewährte „Recht der freien Meinungs-
äußerung“, auch für mich in Anspruch nahm, nicht ahnend, daß
mir dasselbe 42 Jahre später 1) würde bestritten werden.
1) Durch den Erlaß Caprivi's vom 23. Mai 1890.