Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

42 Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. 
  
in Anspruch, den König durch den Landtag zur Abdankung zu 
bewegen und mit Uebergehung, aber im angeblichen Einver- 
ständniß des Prinzen von Preußen, eine Regentschaft der Prin- 
zessin für ihren minderjährigen Sohn herzustellen 1. Ich lehnte 
sofort ab und erklärte, daß ich einen Antrag des Inhalts mit 
dem Antrage auf gerichtliches Verfahren wegen Hochverraths 
beantworten würde. Vincke vertheidigte seine Anregung als 
eine politisch gebotne, durchdachte und vorbereitete Maßregel. 
Er hielt den Prinzen wegen der von ihm leider nicht ver- 
dienten Bezeichnung „Kartätschenprinz“ für unmöglich und be- 
hauptete, daß dessen Einverständniß schriftlich vorliege. Damit 
hatte er eine Erklärung im Sinne, welche der ritterliche Herr 
ausgestellt haben soll, daß er, wenn sein König dadurch vor 
Gefahr geschützt werden könne, bereit sei, auf sein Erbrecht zu 
verzichten. Ich habe die Erklärung nie gesehn, und der hohe 
Herr hat mir nie davon gesprochen. Herr von Vincke gab seinen 
Versuch, mich für die Regentschaft der Prinzessin zu gewinnen, 
schließlich kühl und leicht mit der Erklärung auf, ohne Mit- 
wirkung der äußersten Rechten, die er als durch mich vertreten 
ansah, werde der König nicht zum Rücktritt zu bestimmen sein?). 
1) S. o. S. 26. 
:) Man vgl. dazu Fürst Chl. v. Hohenlohe, Denkwürdigkeiten Bd. II 
135 f. zum 24. Oktober 1874: „Er (Bismarck) erzählte mir noch vieles 
über die Kaiserin. Z. B. im April 1848 kam G. Vincke zu Bismarck 
und sagte ihm, der Vereinigte Landtag wolle und müsse darauf an- 
tragen, daß der König abdanke, der Prinz von Preußen auch und daß 
die Prinzessin von Preußen Regentin an Stelle ihres Sohnes werde. 
Bismarck widersprach und sagte, daß das Volk diese Manipulation nicht 
verstehen würde. Als Vincke insistirte, sagte Bismarck: „Wenn Sie 
morgen den Antrag einbringen, so gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, 
daß ich den Antrag stellen werde, Sie als Hochverräter zu arretiren.“ 
Darauf Vincke: „Ja, dann muß die Sache aufgegeben werden.“ Bis- 
marck: „Ja, sagen Sie das Ihrer Prinzessin,“ worauf Vincke lächelnd 
abging. Schon vorher hatte die Prinzessin mit Bismarck in einem 
Tone gesprochen, der ihm klarmachte, daß sie gegen ihren Mann in- 
trigirte.“
	        
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