Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

Verzettlung der preuß. Truppen. Unentschlossenheit des Königs. 71 
  
Preußen niederzuschlagen, sondern die aufgestellten Streitkräfte 
hätten zugleich das Mittel gewährt, uns 1850 auf die Lösung 
der damaligen Hauptfragen in unverdächtiger Weise vorzu- 
bereiten, falls sie sich zu einer militärischen Machtfrage zu- 
spitzten. Es fehlte dem geistreichen Könige nicht an politischer 
Voraussicht, aber an Entschluß, und sein im Princip starker 
Glaube an die eigne Machtvollkommenheit hielt in concreten 
Fällen wohl gegen politische Rathgeber Stand, aber nicht 
gegen finanzministerielle Bedenken. 
Ich hatte schon damals das Vertraun, daß die militärische 
Kraft Preußens genügen werde, um alle Aufstände zu über- 
wältigen, und daß die Ergebnisse der Ueberwältigung zu Gunsten 
der Monarchie und der nationalen Sache um so erheblicher sein 
würden, je größer der zu überwindende Widerstand gewesen 
wäre, und vollständig befriedigend, wenn alle Kräfte, von denen 
Widerstand zu erwarten war, in einem und demselben Feld- 
zuge überwunden werden konnten. Während der Aufstände in 
Baden und der Pfalz war es eine Zeit lang zweifelhaft, wo- 
hin ein Theil der bairischen Armee gravitiren würde. Ich 
erinnre mich, daß ich dem bairischen Gesandten, Grafen Lerchen- 
seld ), als er grade in diesen kritischen Tagen von mir Abschied 
nahm, um nach München zu reisen, sagte: „Gott gebe, daß auch 
Ihre Armee, so weit sie unsicher ist, offen abfällt; dann wird 
der Kampf groß, aber ein entscheidender werden, der das Ge- 
schwür heilt. Machen Sie mit dem unsichern Theil Ihrer 
Truppen Frieden, so bleibt das Geschwür unterköthig.“ Lerchen- 
feld, besorgt und bestürzt, nannte mich leichtsinnig. Ich schloß 
das Gespräch mit den Worten: „Seien Sie sicher, wir reißen 
Ihre und unfre Sache durch; je toller je besser.“ Er glaubte 
mir nicht, aber meine Zuversicht ermuthigte ihn doch, und ich 
1) Gustav Anton Freiherr v. Lerchenfeld wohnte in den am 17. Mai 
1849 unter Radowitz's Vorsitz eröffneten Unionsverhandlungen bei als 
bayrischer Bevollmächtigter.
	        
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