82 Einundzwanzigstes Kapitel: Der Norddeutsche Bund.
Es handelte sich unter Anderm darum, ob wir, da Würtem-
berg das preußische Hohenzollern in Besitz genommen hatte,
jetzt, wie der König wollte, den Spieß umkehren und eine Ver-
größerung Hohenzollerns auf Kosten Würtembergs fordern
wollten. Ich konnte darin weder für Preußen noch für die
nationale Zukunft einen Nutzen sehn und hielt überhaupt das
Vergeltungsprincip nicht für eine vernünftige Basis unfrer
Politik 1), die auch da, wo unser Gefühl verletzt war, nicht von
der eignen Verstimmung, sondern von der objectiven Erwägung
geleitet werden sollte. Grade weil Varnbüler uns gegenüber
einige diplomatische Sünden auf dem Conto hatte, war er für
mich ein nützlicher Unterhändler, und indem ich mich dazu ver-
stand, die Vergangenheit zu vergessen, gewann ich durch den
Vorgang Würtembergs im Abschluß des Bündnisses (13. August)
den Weg zu den andern.
Ich weiß nicht, ob Roggenbach bei den Friedensschlüssen im
Auftrage des Großherzogs von Baden handelte, indem er mir
vorstellte, daß Baiern durch seine Größe ein Hinderniß der
deutschen Einigung sei, sich leichter in eine künftige Neugestal-
tung Deutschlands fügen werde, wenn es kleiner gemacht wäre,
und daß es sich deshalb empfehle, ein besseres Gleichgewicht in
Süddeutschland dadurch herzustellen, daß Baden vergrößert und
durch Angliederung der Pfalz in unmittelbare Grenznachbar-
schaft mit Preußen gebracht würde, swobei auch weitre Ver-
schiebungen in Anlehnung an preußische Wünsche, die dynasti-
schen Stammlande Ansbach-Bayreuth wiederzugewinnen, und
mit Einbeziehung Würtembergs in Aussicht genommen waren.
Ich ließ mich auf diese Anregung nicht ein, sondern lehnte sie
a limine?) ab. Auch wenn ich sie ausschließlich unter dem Ge-
sichtspunkte der Nützlichkeit hätte auffassen wollen, so verrieth
sie einen Mangel an Augenmaß für die Zukunft und eine
1) S. o. S. 53.
:) Von der Schwelle, d. h. von vorn herein.