102 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Die Emser Depesche.
von dem Uebergange der Sachsen bei Leipzig bis zu der Be—
theiligung unter englischem Commando!) bei Belle Alliance
hatte ein Bewußtsein gekittet, vor dem die Rheinbundserinnrungen
erloschen. Die Entwicklung der Geschichte in dieser Richtung
wurde unterbrochen durch die Besorgniß, welche die Uebereilung
des nationalen Drangs für den Bestand staatlicher Einrichtungen
erweckte.
Dieser Rückblick bestärkte mich in meiner Ueberzeugung, und
die politischen Erwägungen in Betreff der süddeutschen Staaten
fanden mutatis mutandis?) auch auf unfre Beziehungen zu der
Bevölkerung von Hanover, Hessen, Schleswig-Holstein An-
wendung. Daß diese Auffassung richtig war, beweist die Genug-
thuung, mit der heut, nach zwanzig Jahren?), nicht nur die
Holsteiner, sondern auch die Hanseaten der 1870er Heldenthaten
ihrer Söhne gedenken. Alle diese Erwägungen, bewußt und
unbewußt, verstärkten in mir die Empfindung, daß der Krieg
nur auf Kosten unfrer preußischen Ehre und des nationalen
Vertrauns auf dieselbe vermieden werden könne.
In dieser Ueberzeugung machte ich von der mir durch Abeken
übermittelten königlichen Ermächtigung Gebrauch, den Inhalt
des Telegramms zu veröffentlichen, und reducirte in Gegen-
wart meiner beiden Tischgäste das Telegramm durch Streichungen,
ohne ein Wort hinzuzusetzen oder zu ändern, auf die nach-
stehende Fassung:
„Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erb-
prinzen von Hohenzollern der kaiserlich französischen Regirung
von der königlich spanischen amtlich mitgetheilt worden sind, hat
der französische Botschafter in Ems an Seine Majestät den
König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisiren, daß er
1) Die Oberleitung lag beim Feldzuge von 1815 in den Händen des
Lord Wellington.
2) Unter den erforderlichen Abänderungen.
2) D. i. 1891, zur Zeit der Abfassung der Gedanken und Erinnerungen.