110 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Versailles.
Einmischung der Neutralen sich weitre Kriege entwickeln.
Namentlich aber zu beurtheilen, wann der richtige Moment
eingetreten sei, den Uebergang vom Kriege zum Frieden ein-
zuleiten, dazu sind Kenntnisse der europäischen Lage erforder-
lich, die dem Militär nicht geläufig zu sein brauchen, Infor-
mationen, die ihm nicht zugänglich sein können. Die Verhand-
lungen in Nikolsburg 1866 beweisen, daß die Frage vom Krieg
und Frieden auch im Kriege stets zur Competenz des verant-
wortlichen politischen Ministers gehört und nicht von der tech-
nischen Armeeleitung entschieden werden kann; der competente
Minister aber kann dem Könige nur dann sachkundigen Rath
ertheilen, wenn er Kenntniß von der jeweiligen Lage und den
Intentionen der Kriegführung hat.
Im fünften Kapitel ist der Plan zur Zerstücklung Ruß-
lands erwähnt, den die Wochenblattspartei hegte und Bunsen
in einer dem Minister von Manteuffel eingereichten Denkschrift
in aller kindlichen Nacktheit entwickelt hatte ). Den damals
unmöglichen Fall angenommen, daß der König für diese Utopie
gewonnen wurde, angenommen serner, daß die preußischen
Heere und ihre etwaigen Verbündeten in siegreichem Vorschreiten
waren, so würde sich doch eine artige Reihe von Fragen auf-
gedrängt haben, ob uns der weitre Erwerb polnischer Land-
striche und Bevölkerungen wünschenswerth sei, ob es nothwendig,
die vorspringende Grenze Congreßpolens?), den Ausgangspunkt
russischer Heere weiter nach Osten, weiter ab von Berlin zu
rücken, analog dem Bedürfnisse, im Westen den Druck zu be-
seitigen, den Straßburg und die Weißenburger Linien auf Süd-
deutschland ausübten, ob Warschau in polnischen Händen für
uns unbequemer werden könnte als in russischen. Das alles
sind rein politische Fragen, und wer wird leugnen wollen, daß
ihre Entscheidung einen vollberechtigten Einfluß auf die Rich-
) S. Bo. 1 128 f.
„) S. Bd. I 358 Anm. 1.