Gortschakow auf dem Berliner Congreß. Alexander v. Battenberg. 121
bulgariens und dessen Anschluß an das nördliche ) beweist. Und
selbst wenn er nicht stattgefunden hätte, blieb die russische Ge-
sammterrungenschaft nach dem Kriege auch in Folge der Con-
greßbeschlüsse eine glänzendere als die frühern.
Daß Rußland Bulgarien durch Verleihung an den Neffen
der damaligen russischen Kaiserin, den Prinzen von Batten-
berg#), in unsichre Hände gab, war eine Entwicklung, die auf
dem Berliner Congresse nicht vorausgesehn werden konnte. Der
Prinz von Battenberg war der russische Candidat für Bulgarien,
und bei seiner nahen Verwandschaft mit dem Kaiserhause war
auch anzunehmen, daß diese Beziehungen dauerhaft und haltbar
sein würden. Der Kaiser Alexander III. erklärte sich den Ab-
fall seines Vetters einfach mit dessen polnischer Abstammung:
„Polskaja mat“ #) war sein erster Ausruf bei der Enttäuschung
über das Verhalten seines Vetters.
Die russische Entrüstung über das Ergebniß des Berliner
Congresses war eine der Erscheinungen, die bei einer dem Volk
so wenig verständlichen Presse, wie es die russische in auswär-
tigen Beziehungen ist, und bei dem Zwange, der auf sie mit
Leichtigkeit geübt wird, sich im Widerspruche mit aller Wahr-
heit und Vernunft ermöglichen ließ. Die ganzen Gortschakow=
schen Einflüsse, die er, angespornt durch Aerger und Neid über
seinen frühern Mitarbeiter, den deutschen Reichskanzler, in Ruß-
land übte, unterstützt von französischen Gesinnungsgenossen und
ihren französischen Verschwägerungen (Wannowski, Obrutschew)
waren stark genug, um in der Presse, die „Moskauer Wedo-
mosti“ an der Spitze, einen Schein von Entrüstung herzustellen
1) 18. September 1885.
!) Alexander, der zweite Sohn des Prinzen Alexander von Hessen
aus seiner morganatischen Ehe mit der Gräfin Julie von Hauke, spä-
teren Prinzessin von Battenberg.
5) Polnische Mutter; Gräfin Julie Hauke, Tochter des Generals
Grafen Moritz v. Hauke, war am 12. Nov. 1825 in Warschau geboren.