Schreiben Bismarck's an König Ludwig und Ludwig's Kaiserbrief. 139
argumentum ad hominem ½ einem Monarchen von der Richtung
des Königs gegenüber für nützlich, glaube aber, daß die poli-
tische und dynastische Würdigung des Unterschieds zwischen
kaiserlich deutschen und königlich preußischen Präsidialrechten
entscheidend in's Gewicht gefallen ist. Der Graf trat seine Reise
nach Hohenschwangau binnen zwei Stunden, am 27. November,
an und legte sie unter großen Schwierigkeiten und mit häufiger
Unterbrechung in vier Tagen zurück. Der König war wegen
eines Zahnleidens bettlägrig, lehnte zuerst ab, ihn zu emp-
fangen, nahm ihn aber an, nachdem er vernommen hatte, daß
der Graf in meinem Auftrage und mit einem Briefe von mir
komme. Er hat darauf im Bette mein Schreiben in Gegen-
wart des Grafen zweimal sorgfältig durchgelesen, Schreibzeug
gesordert und das von mir erbetne und im Concept entworfne
Schreiben an den König Wilhelm zu Papier gebracht. Darin
war das Hauptargument für den Keaisertitel mit der coercitiven
Andeutung wiedergegeben, daß Baiern die zugesagten, aber noch
nicht ratificirten Concessionen nur dem deutschen Kaiser, aber
nicht dem Könige von Preußen machen könne 2). Ich hatte diese
bücher (engl. Ausg. 1 359) erzählte Bismarck in Versailles am 4. De-
cember 1870 bei Tische, er habe, um das bis dahin nicht ganz vor-
handene Vertraun Ludwigs II. zu gewinnen, den König an die mehr
als fünfhundertjährige Beziehung der Familie Bismarck zu den Wittels-
bachern erinnert. Eines der Bismarck'schen Güter sei der Familie durch
den Wittelsbacher Markgrafen Ludwig verliehen worden. Der König
habe sich, wie Holnstein erzählte, über den Brief gefreut und ihn noch-
mals zu lesen verlangt. Dem Freiherrn von Mittnacht erzählte Bis-
marck am 11. September 1878, seine Familie habe ihre Lehen von Kaiser
Ludwig dem Bayern erhalten; dies habe er einmal dem jetzt regirenden
König von Baiern mit dem Zusatz geschrieben, daß er gegen das Haus
Wittelsbach nichts unternehmen werde. (v. Mittnacht, Erinnerungen an
Bismarck. Neue Folge. [Stuttgart und Berlin, J. G. Cotta'sche Buchh.
Nachf. 1905.] S. 20 f.). — Man pgl. auch v. Poschinger, Neue Tisch-
gespräche II 146 (zum 20. Mai 1884).
1) S. o. S. 68 Anm. 2.
2) Das von Staatsminister Delbrück in der Reichstagssitzung vom