146 Vierundzwanzigstes Kapitel: Culturkampf.
die Verstimmung der deutschen Protestanten und der italieni-
schen Nationalpartei und der letztern Rückwirkung auf die zu-
künftigen Beziehungen beider Völker in den Kauf zu nehmen,
die das Ergebniß eines öffentlichen Eintretens für die päpst-
lichen Interessen bezüglich Roms sein mußte.
In den Wechselfällen des Krieges ist unter den streitenden
italienischen Elementen Anfangs der König) als der für uns
möglicherweise gefährliche Gegner erschienen. Später ist uns
die republikanische Partei unter Garibaldi, die uns bei Aus-
bruch des Kriegs ihre Unterstützung gegen Napoleonische Vellei-
täten des Königs in Aussicht gestellt hatte, auf dem Schlacht-
felde in einer mehr theatralischen als praktischen Erregtheit
und in militärischen Leistungen entgegengetreten, deren Formen
unfre soldatischen Auffassungen verletzten. Zwischen diesen
beiden Elementen lag die Sympathie, welche die öffentliche
Meinung der Gebildeten in Italien für das in der Geschichte
und in der Gegenwart parallele Streben des deutschen Volkes
hegen und dauernd bewahren konnte, lag der nationale In-
stinct, der denn auch schließlich stark und praktisch genug ge-
wesen ist, mit dem frühern Gegner Oestreich in den Dreibund
zu treten. Mit dieser nationalen Richtung Italiens würden
wir durch ostensible Parteinahme für den Papst und seine terri-
torialen Ansprüche gebrochen haben. Ob und in wie weit wir
dafür den Beistand des Papstes in unsern innern Angelegen-
heiten gewonnen haben würden, ist zweifelhaft. Der Galli-
canismus erschien mir stärker, als ich ihn 1870 der Infalli-
bilität gegenüber einschätzen konnte, und der Papst schwächer,
als ich ihn wegen seiner überraschenden Erfolge über alle
deutschen, französischen, ungarischen Bischöfe gehalten hatte.
Bei uns im Lande war das jesuitische Centrum demnächst
stärker als der Papst, wenigstens unabhängig von ihm; der
1) Victor Emanuel II.