Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

2 Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holstein. 
  
ministeriellen Politik entgegengesetzte immediat bei dem Könige 
vertrete. Die schon übermäßige Friction unfrer Staatsmaschine 
kann nicht noch gesteigert werden. Ich vertrage jeden mir gegen- 
über geübten Widerspruch, sobald er aus so competenter Quelle 
wie die Ihrige hervorgeht; die Berathung des Königs aber in 
dieser Sache kann ich amtlich mit niemandem theilen, und ich 
müßte, wenn Seine Majestät mir dies zumuthen sollte, aus 
meiner Stellung scheiden. Ich habe dies dem Könige bei Vor- 
lesung eines Ihrer jüngsten Berichte gesagt; Seine Mcjestät 
fand meine Auffassung natürlich, und ich kann nicht anders 
als an ihr festhalten. Berichte, welche nur die ministeriellen 
Anschauungen wiederspiegeln, erwartet niemand; die Ihrigen 
sind aber nicht mehr Berichte im üblichen Sinne, sondern nehmen 
die Natur ministerieller Vorträge an, die dem Könige die ent- 
gegengesetzte Politik von der empfehlen, welche er mit dem ge- 
sammten Ministerium im Conseil selbst beschlossen und seit vier 
Wochen befolgt hat. Eine, ich darf wohl sagen scharfe, wenn 
nicht feindselige Kritik dieses Entschlusses ist aber ein andres 
Ministerprogramm und nicht mehr ein gesandschaftlicher Bericht. 
Schaden kann solche kreuzende Auffassung allerdings, ohne 
zu nützen; denn sie kann Zögerungen und Unentschiedenheiten 
hervorrufen, und jede Politik halte ich für eine, bessere als 
eine schwankende. 
Ich gebe Ihnen die Betrachtung vollständig zurück, daß eine 
„an sich höchst einfache Frage preußischer Politik“ durch den 
Staub, den die dänische Sache aufrührt, durch die Nebelbilder, 
welche sich an dieselbe knüpfen, verdunkelt wird. Die Frage 
ist, ob wir eine Großmacht sind oder ein deutscher Bundesstaat, 
und ob wir, der erstern Eigenschaft entsprechend, monarchisch 
oder, wie es in der zweiten Eigenschaft allerdings zulässig ist, 
durch Professoren, Kreisrichter und kleinstädtische Schwätzer zu 
regiren sind. Die Jagd hinter dem Phantom der Popularität 
„in Deutschland“, die wir seit den vierziger Jahren betrieben,
	        
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