Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

198 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Intriguen. 
  
keit, seine Eitelkeit im Aeußern zu unterdrücken. Er liebte es, 
als Muster der neusten Pariser Mode zu erscheinen, in einer 
für Berlin auffälligen Uebertreibung, ein Mißgriff, durch welchen 
er sich indessen in dem Palais nicht schadete. Das Interesse 
für exotische und besonders Pariser Typen war mächtiger als 
der Sinn für einfachen Geschmack. 
Gontaut's Thätigkeit im Dienste Frankreichs beschränkte 
sich nicht auf das Berliner Terrain. Er reiste 1875 nach Peters- 
burg, um dort mit dem Fürsten Gortschakow den Theatercoup 
einzuleiten, welcher bei dem bevorstehenden Besuche des Kaisers 
Alexander in Berlin die Welt glauben machen sollte, daß er 
allein das wehrlose Frankreich vor einem deutschen Ueberfall 
bewahrt habe, indem er uns mit einem Quos egol:) in den 
Arm gegriffen und zu dem Zweck den Kaiser nach Berlin be- 
gleitet habe. 
Von wem der Gedanke ausgegangen ist, weiß ich nicht; 
wenn von Gontaut, so wird er bei Gortschakow einen empfäng- 
lichen Boden gefunden haben bei dessen eitler Natur 5), seiner 
Eifersucht auf mich und dem Widerstande, den ich seinen An- 
sprüchen auf Präpotenz zu leisten gehabt hatte. Ich hatte ihm 
in vertraulichem Gespräch sagen müssen: „Sie behandeln uns 
nicht wie eine befreundete Macht, sondern comme un domestique, 
dqui ne monte pas assez vite, quand on a sonné“ 8). Gortscha- 
kow beutete es aus, daß er dem Gesandten Grafen Redern 
und den auf ihn folgenden Geschäftsträgern an Autorität über- 
legen war, und benutzte mit Vorliebe zu Verhandlungen den 
Weg der Mittheilung seinerseits an unfre Vertretung in Peters- 
burg unter Vermeidung der Instruirung des russischen Bot- 
schafters in Berlin behufs Besprechung mit mir. Ich halte es 
1) Wart', ich will euch! Citat aus Virgil, Aeneis I, 135. 
:) Vgl. o. S. 119. 
2) Wie einen Bedienten, der nicht schnell genug herbeispringt, wenn 
man geläutet hat.
	        
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