Friedlicher Charakter der deutschen Politik. Schreiben Bismarck's. 203
geglaubt; wie denn auch die eigenhändigen Antworten unfres
Herrn von mir zu entwerfen waren. Auf diese Weise hatte
die eigenhändige Correspondenz, in der beide Monarchen die
wichtigsten politischen Fragen mit entscheidender Autorität be-
handelten, zwar nicht die constitutionelle Garantie einer mini-
steriellen Gegenzeichnung, aber doch das Correctio ministerieller
Mitwirkung, vorausgesetzt, daß sich der Allerhöchste Briefsteller
genau an das Concept hielt. Darüber erhielt der Verfasser
des letztern allerdings keine Sicherheit, da die Reinschrift gar-
nicht oder doch nur versiegelt in seine Hände kam.
Wie weit verzweigt die Gontaut-Gortschakow'sche Intrigue
gewesen war, ergiebt folgendes Schreiben, das ich am 13. August
1875 aus Varzin an den Keiser richtete #:
„Eurer Majestät huldreiches Schreiben vom 8. c. ) aus
Gastein habe ich mit ehrfurchtsvollem Danke erhalten und mich
vor Allem gefreut, daß Eurer Mjestät die Cur gut bekommen
ist trotz allen schlechten Wetters in den Alpen. Den Brief der
Königin Victoria beehre ich mich wieder beizufügen; es wäre
sehr interessant gewesen, wenn Ihre Majestät Sich genauer
über den Ursprung der damaligen Kriegsgerüchte ausgelassen
hätte. Die Quellen müssen der hohen Frau doch für sehr sicher
gegolten haben, sonst würde Ihre Mcjestät Sich nicht von
Neuem darauf berufen und würde die englische Regirung auch
nicht so gewichtige und für uns so unfreundliche Schritte daran
geknüpft haben. Ich weiß nicht, ob Eure Mojestät es für thunlich
halten, die Königin Victoria beim Worte zu nehmen, wenn Ihre
Majestät versichert, es sei Ihr „ein Leichtes, nachzuweisen, daß
Ihre Befürchtungen nicht übertrieben waren“. Es wäre sonst
wohl von Wichtigkeit zu ermitteln, von welcher Seite her so
1) Bismarck-Jahrbuch IV 35 ff., Anhang zu den Gedanken und Er-
innerungen I1 258 ff.
2) Lies 6. c., s. dasselbe im Anhang zu den Gedanken und Erinne-
Trungen 1 256 ff.