Bismarck als Vertreter des öffentl. Interesses gegen die Ressorts. 237
nicht für einen Briefträger. Nur der Neigung, neue ein-
greifende Gesetze oder Organisationen zu machen, der Neigung,
vom grünen Tische aus zu reglementiren, bin ich bei meinen
Collegen nicht selten entgegengetreten, weil ich wußte, daß,
wenn nicht sie selbst, so doch ihre Räthe die Gesetzmacherei
übertrieben, und daß so manche vortragende Räthe in den innern
Ressorts seit dem Examen her Projecte in ihren Fächern haben,
durch die sie die Unterthanen des Reiches zu beglücken suchen,
sobald sie einen Chef finden, der darauf eingeht.
Ungeachtet meiner Zurückhaltung ist nach meinem Aus-
scheiden bei der Mehrheit meiner Geschäftsfreunde ein Gefühl
wie der Erleichterung von einem Drucke wahrgenommen worden,
das in vielen Fällen eben aus dem Widerstande zu erklären
ist, den ich dem überwuchernden Triebe zu unnöthigen Ein-
griffen in den Bestand unfrer Gesetzgebung geleistet hatte. Auf
dem Gebiete der Schule hatte ich dauernd, aber ohne Erfolg
die Theorie bekämpft, daß der Unterrichtsminister ohne Gesetz
und ohne sich an das vorhandne Schulvermögen zu binden,
auf dem Verwaltungswege und ohne die Leistungsfähigkeit zu
beachten, bestimmen könne, was jede Gemeinde zur Schule bei-
zutragen habe. Diese in keinem andern Verwaltungszweige
vorhandne Machtvollkommenheit, deren Anwendung in man-
chen Fällen so weit getrieben wurde, daß die Gemeinden
existenzunfähig wurden, beruhte nicht auf Gesetz, sondern auf
einem Rescript des frühern Cultusministers von Raumer #,
das das Schulbudget von einer Verfügung der betreffenden
Abtheilung der Regirungen, in letzter Instanz des Ministers,
abhängig machte. Das Bestreben, diesen Ministerabsolutismus
durch Gesetz zu consolidiren, war für mich ein Hinderniß, den
gelegentlich mir vorgelegten Schulgesetzentwürfen meine Zu-
stimmung zu geben.
1) Karl Otto v. Raumer, vom 19. December 1850 bis 1858 Cultus-
minister.