Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

256 Achtundzwanzigstes Kapitel: Berliner Congreß. 
  
Londres, le 25 févr. 1877. 
Mon cher Prince, 
J’ai é6té tres profondément touché de votre si bonne lettre 
— seulement c’'est un vrai remords pour moi que de penser 
Lage, und ich habe sie zum Gemeingut der großen Mehrheit meiner 
Landsleute gemacht. Dieses Werk wird vielleicht leichter zu zerstören 
sein, als es zu schaffen war, besonders in dem Falle, daß meine Nach- 
folger nicht mit derselben Beharrlichkeit wie ich die Beziehungen pflegen 
sollten, deren Gewohnheit ihnen fehlen wird und für deren Aufrecht- 
erhaltung man bisweilen seiner Eigenliebe entsagen und seine Empfind- 
lichkeiten den Interessen seines Herrn und seines Landes unterordnen 
muß. Ich weiß etwas davon zu sagen, aber ich rechne ihm die kleinen 
Possen nicht an, die mir mein ehemalitger Freund und Vormund von 
Petersburg spielt, noch über seine „Liebeleien" mit Paris oder über die 
Orlows. Ein alter Praktikus meines Schlags läßt sich durch blinden 
Lärm nicht aus dem Geleise werfen, aber wird es ebenso sein mit den 
Kanzlern, die mir folgen werden und denen ich meine Kaltblütigkeit 
und meine Erfahrung nicht vererben kann? Es erscheint vielleicht 
leichter, ihr politisches Urtheil zu verwirren durch offiziöse Zeitungen, 
durch Übelwollende Aeußerungen, durch private Briefe, die man in 
Umlauf setzt. Ein deutscher Minister, dem man die Leichtigkeit einer 
Coalition auf der Basis der Revanche durchblicken läßt, wird, erschreckt 
durch den Gedanken der Isolirung, sich durch ungeschickte, vielleicht sogar 
unheilvolle Verbindungen zu decken suchen, die nachher schwer zu lösen 
sind. Es liegt soviel Kraft und Sicherheit in einer Allianz der beiden 
Reiche, daß mich der bloße Gedanke entsetzt, daß sie eines Tages ohne 
den geringsten politischen Grund auf's Spiel gesetzt werden könnte, 
einzig und allein durch den Willen irgend eines Staatsmannes, welcher 
die Abwechselung liebt oder der den Franzosen liebenswürdiger findet 
als den Deutschen; in diesem Punkte würde ich vollkommen seiner Mei- 
nung sein, aber ohne die Politik meines Landes dieser Anschauung 
unterzuordnen. So lange ich an der Spitze unserer Geschäfte stehen 
werde, werdet ihr (die Russen) Schwierigkeiten haben, von unserer 
Allianz euch loszumachen, aber das wird nicht lange mehr dauern. 
Meine Gesundheit verbraucht sich mit rasender Schnelligkeit. Ich will 
versuchen, dem Reichstage Stand zu halten, der in einigen Tagen er- 
öffnet werden wird und nur einige Wochen dauern kann. Unmittelbar 
nach dem Schlusse werde ich in's Bad reisen, um nicht wieder zu den 
Geschäften zurückzukehren. Ich besitze das Zeugniß der medicinischen 
Facultät, „untauglich“ zu sein, es ist dies der technische Ausdruck für
	        
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