266 Neunundzwanzigstes Kapitel: Der Dreibund.
chauvinistischen Regungen ihrer Unterthanen dienstbar machen,
so befürchte ich, daß die internationalen revolutionären und
socialen Kämpfe, die auszufechten sein werden, um so gefähr-
licher und für den Sieg der monarchischen Ordnung schwieriger
sich gestalten werden. Ich habe die nächstliegende Assecuranz
gegen diese Kämpfe seit 1871 in dem Dreikaiserbunde und in
dem Bestreben gesucht, dem monarchischen Principe in Italien
eine feste Anlehnung an diesen Bund zu gewähren. Ich war
nicht ohne Hoffnung auf einen dauernden Erfolg, als im Sep-
tember 1872 die Zusammenkunft der drei Kaiser in Berlin,
demnächst die Besuche meines Kaisers in Petersburg im Mai,
des Königs von Italien in Berlin im September, des deutschen
Kaisers in Wien im October des folgenden Jahres stattfanden.
Die erste Trübung dieser Hoffnung wurde 1875 verursacht durch
die Hetzereien des Fürsten Gortschakow#, der die Lüge ver-
breitete, daß wir Frankreich, bevor es sich von seinen Wunden
erholt hätte, zu überfallen beabsichtigten.
Ich bin zur Zeit der Luxemburger Frage (1867) ein grund-
sätzlicher Gegner von Präventiokriegen gewesen, d. h. von An-
griffskriegen, die wir nur?) deshalb führen würden, weil wir
vermutheten, daß wir sie später mit dem besser gerüsteten Feinde
zu bestehn haben würden ). Daß wir 1875 Frankreich besiegt
haben würden, war nach der Ansicht unsrer Militärs wahr-
scheinlich; aber nicht so wahrscheinlich war es, daß die übrigen
Mächte neutral geblieben sein würden. Wenn schon in den
letzten Monaten vor den Versailler Verhandlungen die Gefahr
europäischer Einmischung mich täglich beängstigte, so würde die
scheinbare Gehässigkeit eines Angriffs, den wir unternommen
hätten, nur um Frankreich nicht wieder zu Athem kommen zu
1) Kap. 26, s. o. S. 198 f.
:) So ist wohl mit Egelhaaf statt „um“ zu lesen.
2) S. o. S. 203 ff. den Brief Bismarck's an den Kaiser vom
13. Aug. 1875.