12 Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holstein.
lassen hätten, das ihm vor Olmütz fremd gewesen, seitdem aber
die natürliche psychologische Folge des Verlangens gewesen war,
für die seinem preußischen Ehrgefühl auf dem Gebiete der
deutschen Politik geschlagne Wunde auf demselben Gebiete Hei-
lung und Genugthung zu suchen. Die holsteinische Frage, der
dänische Krieg, Düppel und Alsen y), der Bruch mit Oestreich
und die Entscheidung der deutschen Frage auf dem Schlachtfelde:
in dieses ganze Wagesysteim wäre er ohne die schwierige Stellung,
in die ihn die neue Aera gebracht hatte, vielleicht nicht ein-
gegangen.
Es kostete freilich noch 1864 viel Mühe, die Fäden zu lösen,
durch welche der König unter Mitwirkung des liberalisirenden
Einflusses seiner Gemalin mit jenem Lager in Verbindung stand.
Ohne die verwickelten Rechtsfragen der Erbfolge untersucht zu
haben, blieb er dabei: „Ich habe kein Recht auf Holstein“.
Meine Vorhaltung, daß die Augustenburger kein Recht hätten,
auf den herzoglichen und den Schaumburgischen Antheil nie
ein solches gehabt und auf den Königlichen Theil zweimal 1721
und 1852 entsagt hätten, daß Dänemark am Bundestage in der
Regel mit Preußen gestimmt habe, der Herzog von Schleswig-
Holstein aus Furcht vor preußischem Uebergewicht es mit Oestreich
halten werde, machte keinen Eindruck. Wenn auch die Erwerbung
dieser von zwei Meeren umspülten Provinzen und meine ge-
schichtliche Erinnrung in der Conseilsitzung vom December 1863·)
auf das dynastische Gefühl des Herrn nicht ohne Wirkung war,
so war auf der andern Seite die Vergegenwärtigung der Miß-
billigung wirksam, die der König, wenn er den Augustenburger
aufgab, bei seiner Gemalin, bei dem krouprinzlichen Paare, bei
verschiednen Dynastien und bei denen zu erwarten hatte, welche
1) 18. April und 6. Juni 1864.
:) Vgl. Bd. 1 396.
7) Richtiger wohl: 2. und 3. Januar 1864, ogl. Kohl, Wegweiser
durch Bismarck's Gedanken und Erinnerungen S. 90 Anm. 1.