286 Neunundzwanzigstes Kapitel: Der Dreibund.
können. Mir schien diese Besorgniß ungegründet, da das Peters-
burger Cabinet schon aus unsrer Beantwortung der aus Livadia
an uns gerichteten Frage wissen mußte, daß wir Oestreich nicht
würden fallen lassen, durch unsern Vertrag mit Oestreich also
eine neue Situation nicht geschaffen, nur die vorhandne legali-
sirt wurde.
6.
Eine Erneurung der Kaunitz'schen Coalition 1) wäre für
Deutschland, wenn es in sich geschlossen einig bleibt und seine
Kriege geschickt geführt werden, zwar keine verzweifelte, aber
doch eine sehr ernste Constellation, welche nach Möglichkeit zu
verhüten Aufgabe unfrer auswärtigen Politik sein muß. Wenn
die geeinte östreichisch-deutsche Macht in der Festigkeit ihres
Zusammenhangs und in der Einheitlichkeit ihrer Führung
ebenso gesichert wäre wie die russische und die französische, jede
für sich betrachtet, es sind, so würde ich, auch ohne daß Italien
der Dritte im Bunde wäre, den gleichzeitigen Angriff unfrer
beiden großen Nachbarreiche nicht für lebensgefährlich halten.
Wenn aber in Oestreich antideutsche Richtungen nationaler oder
confessioneller Natur sich stärker als bisher zeigen, wenn rus-
sische Versuchungen und Anerbietungen auf dem Gebiete der
orientalischen Politik wie zur Zeit Katharina's und Joseph's II.
hinzutreten, wenn italienische Begehrlichkeiten Oestreichs Besitz
am Adriatischen Meere bedrohn und seine Streitkräfte in ähn-
licher Weise wie zu Radetzky's Zeit:) in Anspruch nehmen
sollten: dann würde der Kampf, dessen Möglichkeit mir vor-
schwebt, ungleicher sein. Es braucht nicht gesagt zu werden,
wie viel gefährdeter Deutschlands Lage erscheint, wenn man sich
auch Oestreich, nach Herstellung der Monarchie in Frankreich,
im Einverständniß beider mit der Römischen Curie, im Lager
1) S. o. S. 209.
„) 1848 49.