Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

Wilhelm und der Liberalismus. Augustenburgische Sympathien. 13 
  
damals in seiner Auffassung die öffentliche Meinung Deutsch- 
lands bildeten. 
Die öffentliche Meinung war in den gebildeten Mittelständen 
Deutschlands ohne Zweifel augustenburgisch, in derselben Urtheils- 
losigkeit, welche sich früher 1) den Polonismus und später ) die 
künstliche Begeisterung für die battenbergische Bulgarei als deut- 
sches Nationalinteresse unterschieben ließ. Die Mache der Presse 
war in diesen beiden etwas analogen Lagen betrübend erfolg- 
reich und die öffentliche Dummheit für ihre Wirkung so empfänglich 
wie immer. Die Neigung zur Kritik der Regirung war 1864 
auf der Höhe des Satzes: Nein, er gefällt mir nicht, der neue 
Bürgermeister ). Ich weiß nicht, ob es heut noch Jemanden 
gibt, der es für vernünftig hielte, wenn nach Befreiung der 
Herzogthümer aus ihnen ein neues Großherzogthum hergestellt 
worden wäre mit Stimmberechtigung am Bundestage und dem 
sich von selbst ergebenden Berufe, sich vor Preußen zu fürchten 
und es mit seinen Gegnern zu halten; damals aber wurde die 
Erwerbung der Herzogthümer für Preußen als eine Ruchlosig- 
keit von allen denen betrachtet, welche seit 1848 sich als die Ver- 
treter der nationalen Gedanken aufgespielt hatten. Mein Respect 
vor der sogenannten öffentlichen Meinung, das heißt, vor dem 
Lärm der Redner und der Zeitungen, war niemals groß gewesen, 
wurde aber in Betreff der auswärtigen Politik in den beiden 
oben verglichnen Fällen noch herabgedrückt. Wie stark die An- 
schauungsweise des Königs bis dahin von dem landläufigen 
Liberalismus durch den Einfluß der Gemalin und der Bethmann- 
Hollweg'schen Streberfraction imprägnirt war, beweist die 
Zähigkeit, mit der er an dem Widerspruch festhielt, in welchem 
das Oestreichisch-Frankfurter-Augustenburger Programm mit dem 
preußischen Streben nach nationaler Einheit stand. Logisch be- 
1) 1830/31, auch noch 1863. 
2) 1887. 
") Goethe, Faust 1 2 (Vor dem Thore).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.