14 Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holstein.
gründet konnte diese Politik dem König gegenüber unmöglich
werden; er hatte sie, ohne eine chemische Analyse ihres Inhalts
vorzunehmen, als Zubehör des Altliberalismus vom Standpunkt
der frühern Thronfolgerkritik und dder Rathgeber der Königin
im Sinne von Goltz, Pourtaleès u. s. w. überkommen. Ich greife
in der Zeit vor, indem ich hier das letzte Lebenszeichen der
Wochenblattspartei einschalte, das Schreiben des Herrn von
Bethmann-Hollweg an den König vom 15. Juni 1866, dessen
Hauptsätze lauten #:
„Was Eure Majestät stets gefürchtet und vermieden, was
alle Einsichtigen voraussahen, daß ein ernstliches Zerwürfniß mit
Oesterreich von Frankreich benutzt werden würde, um sich auf
Kosten Deutschlands zu vergrößern (wo?ꝰ)?), liegt jetzt in L. Napo-
leon's ausgesprochenem Programm aller Welt vor Augen
Die ganzen Rheinlande für die Herzogthümer wäre für ihn kein
schlechter Tausch, denn mit den früher beanspruchten petites
rectifications des frontières wird er sich gewiß nicht begnügen.
Und Er ist der allmächtige Gebieter in Europa! .. Gegen den
Urheber dieser (unsrer) Politik hege ich keine feindliche Gesinnung.
Ich erinnere mich gerne, daß ich 1848 Hand in Hand mit ihm
ging, um den König zu stärken. Im März 1862 rieth ich Eurer
Majestät, einen Steuermann von conservativen Antecedentien
zu wählen, der Ehrgeiz, Kühnheit und Geschick genug besitze,
um das Staatsschiff aus den Klippen, in die es gerathen, heraus-
zuführen, und ich würde Herrn von Bismarck genannt haben,
hätte ich geglaubt, daß er mit jenen Eigenschaften die Besonnen-
heit und Folgerichtigkeit des Denkens und Handelns verbände,
deren Mangel der Jugend kaum verziehen wird, bei einem Manne
aber für den Staat, den er führt, lebensgefährlich ist. In#der
That war des Grafen Bismarck Thun von Ansang an voller
1) Vollständig veröffentlicht in L. Schneider, Aus dem Leben
Wilhelm's I. Bd. I 334 ff., auch in Kohl, Bismarck-Regesten 1 287 f.
*) Randbemerkung von Bismarck's Hand.