Schreiben Bethmann-Hollweg's an den König. 15
Widersprüche. Von jeher ein entschiedener Vertreter der
russisch-französischen Allianz, knüpfte er an die im preußischen
Interesse Rußland zu leistende Hilfe gegen den polnischen Auf-
stand politische Projecte 1), die ihm beide Staaten entfremden
mußten. Als ihm 1863 mit dem Tode des Königs von Däne-
mark eine Aufgabe in den Schooß fiel, so glücklich, wie sie nur
je einem Staatsmanne zu Theil geworden, verschmähte er es,
Preußen an die Spitze der einmüthigen Erhebung Deutschlands
(in Resolutionen) ?) zu stellen, dessen Einigung unter Preußens
Führung sein Ziel war, verband sich vielmehr mit Oesterreich,
dem principiellen Gegner dieses Planes, um später sich mit ihm
unversöhnlich zu verfeinden. Den Prinz wvon Augustenburg,
dem Ew. Majestät wohlwollten und von dem damals Alles zu
erhalten war, mißhandelte er x), um ihn bald darauf durch den
Grafen Bernstorff auf der Londoner Conferenz für den Berech-
tigten erklären zu lassen. Dann verpflichtet er Preußen im
Wiener Frieden, nur im Einverständniß mit Oesterreich definitiv
über die befreiten Herzogthümer zu disponiren & *), und läßt in
denselben Einrichtungen treffen, welche die beabsichtigte, Annexion"
deutlich verkündigen
Viele betrachten diese und ähnliche Maßregeln, die stets,
weil in sich widersprechend, in das Gegentheil des Bezweckten
umschlugen, als Fehler der Unbesonnenheit. Andern erscheinen
sie als Schritte eines Mannes, der auf Abenteuer ausgeht, Alles
durcheinanderwirft und es darauf ankommen läßt, was ihm zur
Beute wird, oder eines Spielers, der nach jedem Verlust höher
pointirt und endlich va banque sagt.
Dies Alles ist schlimm, aber noch viel schlimmer in meinen
X) Vgl. den Brief des Prinzen vom 11. December 1863, S. 28 f.
XX) Warum nicht: Verpflichtete er Oestreich, nur im Einver-
ständniß mit Preußen u. s. w.2
1) Vgl. Bd. I 353 ff.
„) Einschaltung Bismarck's.