316 Einunddreißigstes Kapitel: Der Staatsrath.
einberufung 1884 unter dem Vorsitz des Kronprinzen Friedrich
Wilhelm beiwohnte, machten nicht nur mir, sondern, wie ich
glaube, allen Theilnehmern einen geschäftlich günstigen Ein-
druck. Der Prinz hörte die Vorträge an, ohne ein Bedürfniß,
die Vortragenden zu beeinflussen, zu erkennen zu geben. Be-
merkenswerth war, daß die Vorträge zweier ehemaligen Gardes
du Corps-Offiziere, von Zedlitz-Trützschler , späterem Ober-
präsidenten in Posen und Cultusminister, und von Minnige-
rode 2), einen solchen Eindruck machten, daß der Kronprinz im
Sinne der Versammlung verfuhr, indem er die beiden Herrn
später zu Referenten bestellte, obschon die theoretisch sachkundig-
sten Vorträge ohne Zweifel von den anwesenden fachgelehrten
Professoren gehalten waren. Die Einwirkung, die dadurch
frühern Gardeoffizieren auf die Gestaltung von Gesetzvorlagen
zufiel, befestigte mich in der Ueberzeugung, daß die rein und
nur ministerielle Prüfung von Entwürfen nicht der richtige
Weg ist, um die Gefahr zu vermeiden, daß unpraktische, schäd-
liche und gefährliche Vorlagen in sprachlich unvollkommner
Fassung ihren Weg aus den Niederschriften der legislativen
Liebhabereien eines einzelnen vortragenden Rathes, unbeirrt
oder doch ohne ausreichende Richtigstellung durch alle Stadien
des Staatsministeriums, der Parlamente und des Cabinets bis
in die Gesetzsammlung finden und dann bis zu etwaiger Ab-
hülse einen Theil der Last bilden, die sich wie eine Krankheit
schleichend fortschleppt.
1) Graf Robert von Zedlitz und Trützschler wurde 1886 zum Ober-
präsidenten von Posen, März 1891 zum Cultusminister ernannt, be-
kleidete dieses Amt jedoch nur ein Jahr. December 1898 wurde er zum
Oberpräsidenten in Kassel, Juli 1903 zum Oberpräsidenten von Schlesien
ernannt.
:) Wilhelm Freiherr v. Minnigerode gehörte von 1871 bis 1884 dem
Reichstage, von 1878 bis zum Jahre 1888 auch dem Abgeordnetenhause
als Mitglied der conservativen Partei an.