Liebenswürdiger Ton seiner Ansprachen. Treue um Treue. 333
Herzens als des Verstands die im germanischen Charakter hin
und wieder vorkommende Hingebung ihrer Diener und An-
hänger auf Tod und Leben erklären. Für monarchische Ge-
sinnung ist die Ausdehnung des Gebiets ihrer Ergebenheit nicht
jedem Fürsten gegenüber dieselbe; sie unterscheidet sich, je nach-
dem politisches Verständniß oder Empfindung die Grenzen ziehn.
Ein gewisses Maß der Hingebung wird durch die Gesetze be-
stimmt, ein größres durch politische Ueberzeugung; wo es darüber
hinaus geht, bedarf es persönlichen Gefühls von Gegenseitig-
keit, das bewirkt, daß treue Herrn treue Diener haben, deren
Hingebung über das Maß staatsrechtlicher Erwägungen hinaus-
reicht.
Es ist eine Eigenthümlichkeit royalistischer Gesinnung, daß
ihren Träger, auch wenn er sich bewußt ist, die Entschließungen
des Königs zu beeinflussen, das Gefühl nicht verläßt, der Diener
des Monarchen zu sein. Der König selbst rühmte eines Tages
(1865) gegen meine Frau die Geschicklichkeit, mit der ich seine
Intentionen zu errathen und — wie er nach einer Pause hin-
zusetzte — zu leiten wüßte. Solche Anerkennung benahm
ihm nicht das Gefühl, daß er der Herr und ich sein Diener
sei, ein nützlicher, aber ehrerbietig ergebener. Dieses Bewußt-
sein verließ ihn auch dann nicht, als er bei erregter Erörte-
rung meines Abschiedsgesuchs 1877 in die Worte ausbrach:
„Soll ich mich in meinen alten Tagen blamiren? Es ist eine
Untreue, wenn Sie mich verlassen“ — auch unter solchen Ge-
fühlen stand er in seiner eignen königlichen Einschätzung und
in seinem Gerechtigkeitssinn zu hoch, um jemals dem Gefühl
einer Saulischen Eifersucht gegen mich zugänglich zu werden.
Er hatte das königliche Gefühl, daß er es nicht nur vertrug,
sondern sich gehoben fühlte durch den Gedanken, einen ange-
sehnen und mächtigen Diener zu haben. Er war zu vornehm
für das Gefühl eines Edelmanns, der keinen reichen und un-
abhängigen Bauern im Dorfe vertragen kann. Die freudige