Eine Betrachtung über die Reichsverfafsung. „Get you homel“ 363
mich in dieser Richtung geirrt, daß ich die nationale Gesinnung
der Dynastien unterschätzt, die der deutschen Wähler oder doch
des Reichstags überschätzt hatte, war Ende der siebziger Jahre
in mir noch nicht zum Durchbruch gekommen, mit so viel Uebel-
wollen ich auch im Reichstage, am Hofe, in der conservativen
Partei und deren „Declaranten“ zu kämpfen gehabt hatte.
Jetzt habe ich den Dynastien Abbitte zu leisten; ob die Frac-
tionsführer mir ein pater peccavi!) schuldig sind, darüber wird
die Geschichte einmal entscheiden. Ich kann nur das Zeugniß
ablegen, daß ich den Fractionen, den arbeitsscheuen Mitgliedern
sowohl wie den Strebern, in deren Hand die Führung und
das Votum ihrer Gefolgschaften lag, eine schwerere Schuld an
der Schädigung unfrer Zukunft beimesse, als sie selbst fühlen.
"Get you home, Fou fragments,“ sagt Coriolan 2). Nur die
Führung des Centrums kann ich nicht eine unfähige nennen,
aber sie ist berechnet auf die Zerstörung des unbequemen Ge-
bildes eines Deutschen Reichs mit evangelischem Kaiserthum
und acceptirt in Wahlen und Abstimmungen den Beistand jeder
ihr an sich feindlichen, aber zunächst in gleicher Richtung wir-
kenden Fraction, nicht nur der Polen, Welfen, Franzosen,
sondern auch der Freisinnigen. Wie viele der Mitglieder mit
Bewußtsein, wie viele in ihrer Beschränktheit für reichsfeindliche
Zwecke arbeiten, werden nur die Führer beurtheilen können.
Windthorst, politisch latitudinarian ), religiös ungläubig, ist durch
Zufall und bürokratisches Ungeschick auf die feindliche Seite ge-
schoben worden. Trotz alledem hoffe ich, daß in Kriegszeiten
das Nationalgefühl stets zu der Höhe anschwellen wird, um
das Lügengewebe zu zerreißen, in dem die Fractionsführer,
strebsame Redner und Parteiblätter in Friedenszeiten die Massen
zu erhalten wissen.
1) Schuldbekenntniß.
) Trollt Euch heim, ihr Pack. Shakespeare, Coriolan III 3.
2) Duldsam.
Otto Fürst von Bismarck, Gebanken und Erinnerungen. II. 23