Verhandlungen mit d. Erbprinzen. Bedeutung d. Nord-Ostsee-Canals. 33
strecke, die beide Meere trennt, möglich zu machen, war in Nach-
wirkung des beinahe krankhaften Flottenenthusiasmus von 1848
noch sehr lebhaft, schlief aber zeitweise ein, als wir freie Ver-
fügung über das Territorium erworben hatten. In meinem
Bemühn, das Interesse wieder zu erwecken, stieß ich aus Wider-
spruch bei der Landesvertheidigungs-Commission, deren Vor-
sitzender der Kronprinz, deren eigentliche Spitze der Graf Moltke
war. Letztrer erklärte als Mitglied des Reichstags am 23. Juni
18731), der Canal werde nur im Sommer benützbar und von
zweifelhaftem militärischen Werthe sein; für 40 bis 50 Millionen
Thaler, die er kosten werde, baue man besser eine zweite Flotte.
Die Gründe, die mir in der Bewerbung um die Königliche Ent-
scheidung entgegengesetzt wurden, hatten ihr Gewicht mehr in
dem großen Ansehn, das die militärischen Kreise bei Sr. Moajestät
genossen als in ihrem materiellen Inhalt; sie gipfelten in dem
Argument, daß ein so kostspieliges Werk wie der Canal zu seinem
Schutze im Kriege eine Truppenmasse erfordern würde, die wir
der Landarmee nicht ohne Schaden entziehn könnten. Es wurde
die Ziffer von 60000 Mann angegeben, die im Falle eines
dänischen Anschlusses an feindliche Landungen zum Schutze des
Canals verfügbar gehalten werden müßten. Ich wandte dagegen
ein, daß wir Kiel mit seinen Anlagen, Hamburg und den Weg
von dort nach Berlin immer würden decken müssen, auch wenn
kein Canal vorhanden sei. Unter der Last des Uebermaßes
andrer Geschäfte und den mannichfachen Kämpfen der siebziger
Jahre konnte ich nicht die Kraft und Zeit aufwenden, um den
Widerstand der genannten Behörde vor dem Kaiser zu über-
winden; die Sache blieb in den Acten liegen. Ich schreibe den
Widerstand mehr der militärischen Eifersucht zu, mit der ich
1866, 1870 und später Kämpfe zu bestehn hatte, die meinem
Gemüthe peinlicher gewesen sind als die meisten andern.
1) Moltke's Reden. Gesammelte Schriften. (Berlin, E. S. Mittler
u. Sohn.) VII 25 ff.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 3