50 Zwanzigstes Kapitel: Nikolsburg.
Vortrag. Im Vorzimmer fand ich zwei Obersten mit Berichten
über das Umsichgreifen der Cholera unter ihren Leuten, von
denen kaum die Hälfte dienstfähig war &). Die erschreckenden
Zahlen befestigten meinen Entschluß, aus dem Eingehn auf die
östreichischen Bedingungen die Cabinetsfrage zu machen. Ich
befürchtete neben politischen Sorgen, daß bei Verlegung der
Operationen nach Ungarn die mir bekannte Beschaffenheit dieses.
Landes die Krankheit schnell übermächtig machen würde. Das
Klima, besonders im August, ist gefährlich, der Wassermangel
groß, die ländlichen Ortschaften mit Feldmarken von mehren
Quadratmeilen weit verstreut, dazu Reichthum an Pflaumen
und Melonen. Mir schwebte als warnendes Beispiel unser
auf den Bericht vom 24.). Wenn Lenz die ganze Marginalnotiz in
der im Texte gegebenen Fassung anzweifelt, ja für möglich hält, daß
sie von Bismarck in einer Art Selbsttäuschung aus dem Schlußsatz der
von Sybel mitgetheilten Randbemerkungen zum Bericht vom 24. Juli
erst nachträglich gebildet worden sei, so muß ich darauf hinweisen, daß
Fürst Herbert Bismarck mir ausdrücklich erklärt hat, daß er dieses
Marginal in einem der Actenstücke des Auswärtigen Amtes selbst ge-
lesen habe. Er hat sogar den Wortlaut der im Entwurf enthaltenen
Fassung aus dem Gedächtniß noch durch die Einfügung der Worte:
„in diesen sauren Apfel beißen und“ ergänzt. Die Abwei-
chungen hinsichtlich des Wortlauts des Marginals, die Lenz feststellt,
können nichts gegen die letzte Fassung beweisen, da sie eben auf nach-
träglich gemachten Aufzeichnungen von Dinergästen beruhen. — Daß
Bismarck übrigens die Cabinetsfrage damals wirklich gestellt hat, läßt
sich unschwer aus dem Schluß des von Sybel mitgetheilten Actenstückes
erkennen. In der mündlichen Erörterung hat er das im amtlichen Be-
richt schonend Angedeutete sicher mit voller Deutlichkeit zu verstehn
gegeben. Die Marginalnotizen zu dem Bericht vom 24. Juli, die der
König am 25. Bismarck zugehn ließ, zeigen das Einlenken des Königs
und mildern in ihrem Schlusse die Schroffheit der am Tage zuvor ge-
gebenen Antwort.
X) Während des Feldzugs sind 6427 Mann der Seuche erlegen.
(Die Zahl findet erst ihre volle Würdigung, wenn man die Verluste
auf den Schlachtfeldern ihr gegenüberstellt: die Zahl der Todten belief
sich auf nur 4450 Mann; vgl. v. Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krieges
von 18060 Bd. II 685. H. K.)