56 Zwanzigstes Kapitel: Nikolsburg.
Dieselbe hatte, so lange ich in Frankfurt war, viel für mich
übrig, ermuthigte mich in meinem Widerstande gegen Oestreichs
Politik und gab ihre antiöstreichische Gesinnung dadurch zu er-
kennen, daß sie im Hause ihres Gesandten Herrn von Scherff
mich, nicht ohne Unhöflichkeit gegen den östreichischen Präsidial-
Gesandten, Baron Prokesch, tendenziös auszeichnete, zu einer
Zeit, wo Louis Napoleon noch Hoffnung auf ein preußisches
Bündniß gegen Oestreich hegte und den italienischen Krieg bereits
im Sinne hatte. Ich lasse unentschieden, ob schon damals die
Vorliebe für das Napoleonische Frankreich allein die Politik
der Königin von Holland bestimmte, oder ob nur das unruhige
Bedürfniß, überhaupt Politik zu treiben, sie zu einer Partei-
nahme in dem preußischöstreichischen Streit und zu einer auf-
fällig schlechten Behandlung meines östreichischen Collegen und
Bevorzugung meiner bewog. Jedenfalls habe ich nach 1866
die mir früher so gnädige Fürstin unter den schärfsten Gegnern
meiner in Voraussicht des Bruchs von 1870 befolgten Politik
gefunden. Im Jahre 1867 wurden wir zuerst durch amtliche
französische Kundgebungen verdächtigt, Absichten auf Holland
zu haben, namentlich in der Aeußerung des Ministers Rouher
in einer Rede gegen Thiers, 16. März 1867, daß Frankreich
unser Vordringen an die „Zuider-See“ nicht dulden könne. Es
ist nicht wahrscheinlich, daß die Zuider-See von dem Franzosen
selbständig entdeckt worden und sogar die Orthographie des
Namens in der französischen Presse ohne fremde Hülfe richtig
gegeben worden ist: man darf vermuthen, daß der Gedanke an
dieses Gewässer von Holland aus dem französischen Mißtraun
suppeditirt worden war. Auch die niederländische Abstammung
des Herrn Drouyn de Lhuys ½ berechtigt mich nicht, eine so
1) Inwieweit Drouyn de Lhuys niederländischer Abstammung ist,
habe ich nicht ermitteln können; geboren war er zu Paris. Von
1833 bis 1836 hielt er sich im Haag als französischer Gesandschafts-
secretär auf.