Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

64 Einundzwanzigstes Kapitel: Der Norddeutsche Bund. 
  
Zwiespaltes, sondern auch jeder Schein davon nach dem Aus- 
lande und in Deutschland vermieden werden müsse; daß, wenn 
wir erst Unabhängigkeit von dem Auslande hätten, wir auch 
in unfrer innern Entwicklung uns frei bewegen könnten, wir 
uns dann so liberal oder so reactionär einrichten könnten, wie 
es gerecht und zweckmäßig erschiene; daß wir alle innern Fragen 
vertagen könnten bis zur Sicherstellung unfrer nationalen Ziele 
nach Außen. Ich zweifelte nicht an der Möglichkeit, der königlichen 
Macht die nöthige Stärke zu geben, um unfre innre Uhr richtig 
zu stellen, wenn wir erst nach Außen die Freiheit erworben 
haben würden, als große Nation selbständig zu leben. Bis 
dahin war ich bereit, der Opposition nach Bedürfniß blackmail # 
zu zahlen, um zunächst unsre volle Kraft und in der Diplomatie 
den Schein dieser einigen Kraft und die Möglichkeit in die 
Wagschale werfen zu können, im Falle der Noth auch revo- 
lutionäre Nationalbewegungen gegen unfre Feinde entfesseln 
zu können. 
In einer Commissionssitzung des Landtags wurde ich von 
der Fortschrittspartei, wohl nicht ohne Kenntniß von den Be- 
strebungen der äußersten Rechten, darüber interpellirt, ob die 
Regirung bereit sei, die preußische Verfassung in den neuen 
Provinzen einzuführen. Eine ausweichende Antwort würde das 
Mißtraun der Verfassungsparteien hervorgerufen oder belebt 
haben. Nach meiner Ueberzeugung war es überhaupt noth- 
wendig, die Entwicklung der deutschen Frage durch keinens Zweifel 
an der Verfassungstreue der Regirung zu hemmen; durch jeden 
neuen Zwiespalt zwischen Regirung und Opposition wäre der 
vom Auslande zu erwartende äußere Widerstand gegen nationale 
Neubildungen gestärkt worden. Aber meine Bemühungen, die 
Opposition und ihre Redner zu überzeugen, daß sie wohl thäten, 
innre Verfassungsfragen gegenwärtig zurücktreten zu lassen, daß 
1) Räubergold.
	        
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