Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

Folgen eines preußisch-russischen Sieges über Oestreich-Frankreich. 75 
  
der russischen Politik nicht zusagend, daß eine siegreiche preußisch- 
russische Coalition Oestreich gegenüber auch nur mit dem Maße 
von Schonung verführe, welches von preußischer Seite 1866 
im Interesse der Möglichkeit künftiger Wiederannäherung be- 
obachtet worden ist. Ich fürchtete deshalb, daß wir im Falle 
unfres Siegs über die Zukunft Oestreichs mit Rußland nicht 
einig sein würden und daß Rußland selbst bei weitern Erfolgen 
gegen Frankreich nicht darauf werde verzichten wollen, Preußen 
in einer unterstützungsbedürftigen Stellung an seiner Westgrenze 
zu erhalten; am allerwenigsten wäre von Rußland eine Hülfe 
für eine nationale Politik im Sinne der preußischen Hegemonie 
zu erwarten gewesen. Tilsit, Erfurt, Olmütz und andre histo- 
rische Erinnrungen sagten: vestigia terrent ). Kurz, ich hatte 
nicht das Vertraun zu der Gortschakow'schen Politik, daß wir 
auf dieselbe Sicherheit rechnen könnten, welche Alexander I. 
1813 gewährte, bis die Zukunftsfragen, was aus Polen und 
Sachsen werden und ob Deutschland gegen französische Inva- 
sionen eine von russischen Entschließungen unabhängige Deckung 
haben, Straßburg Bundesfestung werden solle, in Wien zur 
Verhandlung kamen ). So mannigfache Erwägungen hatte ich 
anzustellen, um zu einem Entschlusse über die Anträge, welche 
ich dem Könige machen, und die Fassung des Concepts, das 
ich ihm vorlegen wollte, zu gelangen. Ich zweifle nicht, daß 
eine Zeit kommen wird, in der auch über diese Vorgänge unfre 
Archive der Oeffentlichkeit zugänglich werden, es sei denn, daß 
inzwischen die angeregte Zerstörung der Documente sich voll- 
zieht, die von meiner politischen Thätigkeit Zeugniß geben. 
Die Versuchung war groß gewesen für einen Monarchen, 
1) Die Spuren schrecken ab, Citat aus Horaz, Epist. I 1, 74. 
2) Die Fragen, wie Polen nach dem Sturze Napoleon's neu getheilt 
werden und ob Sachsen ganz oder theilweise an Preußen fallen sollte, 
führten auf dem Wiener Congresse zu Verwicklungen. Die Frage, ob 
Straßburg Bundesfestung werden solle, wurde später, im zweiten 
Pariser Frieden erwogen. 
 
	        
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