Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

Die Indemnitätsgewährung keine Demüthigung. Die Annexionen. 79 
  
setzen. Die viele Stunden lange und für mich sehr angreifende 
Unterredung, weil sie meinerseits stets in vorsichtigen Formen 
geführt werden mußte, fand im Eisenbahncoupé zu Dreien 
statt, mit dem Könige und dem Kronprinzen. Der Letztre 
aber unterstützte mich nicht, obschon er in dem leichtbeweglichen 
Ausdruck seines Mienenspiels mich wenigstens durch Kundgebung 
seines vollen Einverständnisses seinem Herrn Vater gegenüber 
stärkte. 
Durch eine Correspondenz, die ich von Nikolsburg aus mit 
den übrigen Ministern geführt hatte, war der Entwurf der 
Thronrede zu Stande gekommen und von Sr. Majestät ge- 
nehmigt worden mit Ausnahme des auf die Indemnität bezüg- 
lichen Satzes. Schließlich gab der König mit Widerstreben auch 
dazu seine Einwilligung, so daß der Landtag am 5. August mit 
einer Thronrede eröffnet werden konnte, die ankündigte, daß die 
Landesvertretung in Bezug auf die ohne Staatshaushaltsgesetz 
geführte Verwaltung um nachträgliche Verwilligung angegangen 
werden solle. In verbis simus faciles 7)! 
6. 
Das nächste Geschäft war die Regelung unfres Verhältnisses 
zu den verschiednen deutschen Staaten, mit denen wir im Kriege 
gewesen waren. Wir hätten die Annexionen für Preußen ent- 
behren und Ersatz dafür in der Bundesverfassung suchen können. 
Se. Majestät aber hatte an praktische Effecte von Verfassungs- 
paragraphen keinen bessern Glauben wie an den alten Bundes- 
tag und bestand auf der territorialen Vergrößerung Preußens, 
um die Kluft zwischen den Ost= und Westprovinzen auszufüllen 
und Preußen ein haltbar abgerundetes Gebiet auch für den Fall 
des frühern oder spätern Mißlingens der nationalen Neubil- 
dung zu schaffen. Bei der Annexion von Hanover und Kur- 
1) In Worten laßt uns gefällig sein! Man pgl. dazu die Rede 
Bismarck's vom 1. Sept. 1866, Politische Reden III 60 ff.
	        
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