Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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neben oder an Stelle der Unterbringung aus 
dem Bundesgebiete zu verweisen. 
4. Die nach 8 181a StGB. verurteilten Zu— 
hälter können sowohl unter Polizeiaufsicht ge— 
stellt, als auch der Landespolizeibehörde über— 
wiesen und aus beiden Gründen, falls sie 
Ausländer sind, aus dem Bundesgebiete ver— 
wiesen werden. 
Den vorstehenden Bestimmungen ist gemein— 
sam, daß die Polizeibehörden die Reichsver— 
weisung nur auf Grund eines gerichtlichen 
Erkenntnisses anordnen können, und daß sie 
zu dieser Anordnung im Einzelfalle wohl be— 
fugt, aber nicht verpflichtet sind. In den 
Fällen, in welchen die Reichsverweisung neben 
oder an Stelle der Unterbringung in ein Ar- 
beitshaus erfolgen kann, ist im allgemeinen 
schon wegen der Kostenersparnis die A. vor- 
zuziehen (Erl. vom 29. Okt. 1880 — MBl. 
1881, 10 — und vom 4. Febr. 1899 — Ml. 28). 
III. A. von Reichsausländern aus dem 
Staatsgebiete (Landesverweisungen). 
Es ist ein unbestrittener Ausfluß der Staats- 
hoheit, seden Ausländer im Interesse der öffent- 
lichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung aus dem 
Lande zu verweisen (vgl. Mot. zu den 8§8§ 36, 37 
St GB.—Sten Ber. des RT. 1870 Bd. 3 Aktenst. 
Nr. 5, S. 58; O. 16, 382; Liszt, Völkerrecht, 
3. Aufl. S. 199). Diese fremdenpolizeiliche Be- 
fugnis der Einzelstaaten ist durch das Reichs- 
recht nicht berührt und in der Gesetzgebung 
der Einzelstaaten meistens ausdrücklich an- 
erkannt, so in Hreuwen durch die Umschreibung 
der Aufgaben der Polizei im ALR. I, 17 § 10 
und im § 6 des G. über die Polizeiverwaltung 
vom 11. März 1850 (GS. 265). Wo in den 
mit auswärtigen Staaten abgeschlossenen Han- 
dels= und Niederlassungsverträgen den aus- 
wärtigen Untertanen ein Recht auf Ge- 
werbebetrieb und Niederlassung im Inlande 
zugestanden ist, ist dies stets unter dem selbst- 
verständlichen Vorbehalte jener fremdenpolizei- 
lichen Befugnisse geschehen. In einzelne Ver- 
träge, so z. B. in dem deutsch-schweizerischen 
A-iederlassungsvertrag vom 31. Mai 1890/(R. 
131), ist ausdrüchklich ein dahin gehender Vor- 
behalt ausgenommen (Art. 4). Die Ausweisungs- 
befugnis der Polizeibehörden ist nicht fest ein- 
geengt, vielmehr ist es im wesentlichen in das 
pflichtmäßige Ermessen der Behörde gestellt, 
zu entscheiden, ob von der Ausweisungsbefug- 
nis aus Gründen der inneren oder äußeren 
Sicherheit des Staates Gebrauch zu machen 
ist. an wird im allgemeinen zwischen A. 
aus polizeilichen und aus politischen 
Gründen unterscheiden können. Die polizei- 
lichen Landesverweisungen erfolgen auf Grund 
strafrechtlicher Verurteilung — soweit sie nicht 
die Reichsverweisung nach sich zieht — sowie 
aus Gründen der Armen-, Gesundheits-, Sitten- 
und Sicherheitspolizei. Die Gründe der poli- 
tischen A. können nicht genau umschrieben 
werden, da die Entscheidung der Frage, ob 
im Einzelfalle eine Gefährdung oder Beein- 
trächtigung von Staatsinteressen vorliegt, in 
hohem Grade von dem jeweiligen inneren 
und äußeren politischen Verhältnissen abhängt. 
Jedenfalls gehören hierher Landesverweifsun- 
gen, welche im Interesse der Landesverteidigung 
  
Ausweisungen. 
oder gegen solche Personen erfolgen, welche 
sich durch ihre politische Tätigkeit auf litera- 
rischem Gebiete oder in Vereinen und Ver- 
sammlungen lästig machen. 
Dem einzelnen Fremden steht ein Recht auf 
Mitteilung der Ausweisungsgründe nicht zu, 
aber dem Heimatsstaate des Ausgewiesenen 
wird eine Aufklärung auf dahin gehende An- 
frage im allgemeinen nicht vorenthalten werden 
können, jedenfalls nicht denjenigen Staaten, 
für deren Untertanen durch Abschluß eines 
6iederlassungsvertrages ein Recht auf Mieder- 
lassung unter bestimmten Voraussetzungen ge- 
währleistet ist. Eine willkürliche A. der Frem- 
den würde überdies den heutigen völkerrecht- 
lichen Anschauungen widersprechen und zu 
Retorsionsmaßregeln der betroffenen Staaten 
Veranlassung geben. 
Die Behörden haben im allgemeinen dar- 
auf zu halten, daß durch die A. keine durch 
die Sache selbst nicht bedingte Härten entstehen, 
und deshalb auch auf eine für die Ordnung 
der persönlichen und wirtschaftlichen Verhält- 
nisse ausreichende Fristerteilung Bedacht zu 
nehmen. 
IV. Verfahren. 1. Zuständig für die 
Reichsverweisungen ist die Landespolizei- 
behörde (in Preußen der Regierungspräsident, 
im LP. Berlin der Polizeipräsident von 
Berlin), für Landesverweisungen sind in 
Preußen neben den Landespolizeibehörden auch 
die Orts= und Kreisbehörden zuständig, jedoch 
sollen diese vor Erlaß der Ausweisungsver- 
fügung die Zustimmung des Regierungspräsi- 
denten einholen. Aur sofern es sich um die A. 
von legitimationslosen Bagabunden usw., von 
Zigeunern oder um die alljährliche Wieder- 
abschiebung von Saisonarbeitern nach Beendi- 
gung der Arbeitszeit handelt, bedarf es dieser 
Genehmigung nicht (Erl. vom 1. Juni 1899). 
Gegen die Ausweisungsverfügungen steht 
das in den §§ 127, 130 LVSE. gegen polizei- 
liche Verfügungen gegebene Rechtsmittel der 
Beschwerde offen. Die Klage im Verwaltungs- 
streitverfahren steht den Reichsausländern da- 
gegen nicht zu (8 130 Abs. 2 a. a. O.). Daß 
die polizeiliche Handhabung der Ausweisungs- 
befugnisse den Reichs-Ausländern gegenüber 
ausschließlich der Kontrolle der Aufsichtsbehör= 
den unterworfen ist, entspricht dem diskretio- 
nären Charakter dieser Maßnahmen und ist um 
so weniger zu beanstanden, als dasselbe auf 
vielen anderen, wichtige Interessen selbst der 
Staatsangehörigen berührenden Gebieten der 
Fall ist (vgl. O#. 16, 383). 
2. Die Vollziehung der A. der Auslän-- 
der aus dem Reichsgebiet ist durch RBek. 
vom 10. Dez. 1890 (3Bl. 378) geregelt. Danach 
hat die A. zu erfolgen entweder: a) mittels 
Transports 6E 3—7); b) durch Erteilung eines 
Zwangspasses (§§ 8— 12); c) durch Bekannt- 
machung der Ausweisungsverfügung (8§ 13). 
Die Art der Vollziehung wird durch die aus- 
weisende Behörde bestimmt, welche dabei zu 
beachten hat, inwieweit es mit BRüchsicht auf 
internationale Beziehungen erforderlich ist, zu- 
nächst mit ausländischen Behörden, eventuell auf 
diplomatischem Wege, behufs Ubernahme des 
Auszuweisenden in Verbindung zu treten (62)
	        
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