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daß ein an sich zulässiges Rechtsmittel im
gegebenen Falle überhaupt nicht oder nicht
rechtzeitig eingelegt worden ist, endgültig ge—
wordener Beschlüsse — auch in reichsgesetzlich
geordneten Angelegenheiten — durch Klage
zu. Das Recht hierzu steht dem Oberpräsi-
denten gegenüber Beschlüssen des Provinzial-
rats, dem Regierungspräsidenten gegenüber
Beschlüssen des Bezirksausschusses und dem
Landrate bzw. dem Vorsitzenden gegenüber
Beschlüssen des Kreis (Stadt= ausschusses zu.
Auf Beschlüsse anderer Behörden ist der § 126
nicht übertragbar (OVS. 40, 300). Bei Be-
schlüssen des Kreisausschusses in Kommunal=
angelegenheiten des Kreises findet nicht die
Klage aus dem § 126, sondern die Beanstan-
dung nach § 178 KrO. statt, d. h. der Landrat
versagt die Ausführung des Beschlusses als
gesetzwidrig durch Verfügung, gegen welche
klagbar zu werden dem Kreisausschuß über-
lassen bleibt (s. Beanstandung). Die An-
fechtungsklage ist stets beim Oberverwaltungs-
gericht anzubringen, hat aufschiebende Wirkung,
ist aber an keine Frist gebunden (OV. 36, 371).
Sie kann nur darauf gestützt werden, daß die
Beschlüsse die Befugnisse der Behörde über-
schreiten oder das bestehende Recht. insbesondere
auch die von den Behörden innerhalb ihrer
Zuständigkeit erlassenen Verordnungen, ver-
letzen; eine Kontrolle der Zwechmähigkeit und
Angemessenheit ist nicht zulässig (OV. 11, 86).
Ferner ist Voraussetzung der Klage, daß der
angefochtene Beschluß eine — durch dessen Auf-
hebung zu beseitigende — rechtliche Wirkung
äußern würde (O#. 6, 66; 29, 69; 30, 162).
Beklagte Partei ist die Behörde, deren Be-
schluß angefochten wird. Diese ist befugt, zur
Wahrnehmung ihrer Rechte in dem Verfahren
vor dem Oberverwaltungsgericht einen beson-
deren Vertreter zu wählen (§ 126 Abs. 2). Das
Oberverwaltungsgericht Kann immer nur den
Beschluß aufheben, nicht wie der Revisions-
richter in der Sache selbst entscheiden.
Die Klage aus dem § 126 LV#. unterliegt
legislatorischen Bedenken außer wegen ihrer
mangelnden Befristung besonders noch des-
halb, weil dabei über Rechte Dritter entschieden
werden hann, welche nicht als Parteien zu
dem Streitverfahren hinzugezogen werden
müssen und binzugezogen worden sind. Val.
Aufschiebende irkung und Be-
schwerde V.
Angehörige. Uber ihren von dem des
Familienhauptes abgeleiteten Unterstützungs-
wohrsitz s. Unterstützungswohnsitz IV, über
ihre Pflicht zur gegenseitigen Gewährung des
Unterhalts s. Unterhaltungspflicht. Aber
Ansprüche der A. aus Betriebsunfällen s. Un-
fallversicherung IV., Beamte (Arbeiterver-
sichenung), Gefangene, über Ansprüche der
A. aus der Invalidenversicherung . d. III, VI5.
Angelfischerei s. Fischfang.
Angerhäuser s. Auenrecht.
Angesessene. Die mit Grundbesitz an-
gesessenen Gemeindeglieder sind in den
Grundverfassungsgesetzen vor den nicht an-
gesessenen hinsichtlich des Stimmrechts ((.
Gemeindestimmrecht) oder der Zu-
sammensetzung der Gemeindevertretung (s. d.)
Angehörige — Anilinfarbenfabriken.
bevorzugt. In den östlichen Provinzen
werden nach der LöO. vom 3. Juli 1891
§8 41, 45, in Schleswig-Holstein nach der
LO. vom 4. Juli 1892 8§ 41, 45, in Hessen-
Aassau nach der LEO. vom 4. Aug. 1897,
88 11, 16 unter A. in den Landgemeinden
solche Gemeindeangehörige verstanden, deren
Grundbesitz im Gemeindebezirke entweder in
einem Wohnhause besteht oder vom Staate
zur Grund= und Gebäudesteuer im Jahres-
betrage von mindestens 3 M. veranlagt ist.
Diesen Personen steht gleich, wer in dem Ge-
meindebezirk, ohne dort einen Wohnsitz zu
haben, seit zwei Jahren ein landwirtschaftlich
enutztes Grundstück, das eine selbständige
chernahrung bildet oder einer solchen gleich
zu achten ist, oder ein Grundstüchk besitzt, auf
dem sich ein Wohnhaus, eine Fabrik oder
eine andere gewerbliche Anlage befindet, die
dem Werte einer selbständigen Ackernahrung
mindestens gleichaommen (Forense). Iu
Hessen-Aassau ist dies dann anzunehmen, wenn
das Grundstüchk mit einem Jahresbetrage von
mindestens 16 M. zur Grundsteuer vom Staate
veranlagt ist. Hedoch kann dieser Betrag für
einzelne Kreise oder Kreisteile auf Antrag des
Kreisausschusses durch Beschluß des Provinzial-
landtages — höchstens auf den doppelten Be-
trag — erhöht werden. Endlich gelten als A.
auch die Vertreter von juristischen Personen,
Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften
auf Aktien, Berggewerkschaften, eingetragenen
Genossenschaften, Gesellschaften mit beschränkter
Haftung und des Staatsfiskus, sofern diese
seit zwei Jahren Grundstüchke von dem be-
zeichneten Umfange im Gemeindebezirke be-
sitzen. In Westfalen soll bei den Abstim-
mungen in der Gemeindeversammlung nach
§ 25 der LGO. vom 19. Mrz 1856 den Be-
sitzern der in die Rittergutsmatrikel einge-
tragenen Rittergüter und derjenigen Güter,
von denen mindestens 225 M. Grund= und
Gebäudesteuer entrichtet werden, in den Ge-
meindestatuten eine größere Zahl von Stimmen
beigelegt werden. In der Rheinprovinz
kommt nach § 46 der LGO. vom 23. Juli 1845
den mit einem Wohnhaus im Gemeindebezirk
angesessenen „meistbegüterten“ Grundeigen-
tümern, welche von ihrem im Gemeindebezirke
belegenen Grundbesitze zu mindestens 150 M.
Grund= und Gebäudesteuer jährlich veranlagt
sind, ein Virilstimmrecht im Gemeinderate zu,
wenn dieser aus gewählten Gemeindeverord-
neten besteht (I. Gemetndevertretung) In
Hannover soll nach der dortigen LGE. vom
28. April 1859 § 17 bei Abstufungen des Stimm-
gewichtes in den Gemeindeversammlungen der
andgemeinden das Stimmgewicht dersenigen
Grundbesitzer überwiegen, deren Grundeigen-
tum zur Bewirtschaftung zwei oder mehr Pferde
erfordert. — In den Städten kommt öfters
nach den Städteordnungen ein Vorrecht hin-
sichtlich der Zusammensetzung der Stadtverord-
seetenversammlung den Hausbesitzern
. d.) zu.
Anilinfarbenfabriken sind als chemische
Fabriken (s. d.) nach GewO. 8§ 16 Genehm
gungspflichtig. Zuständig für die Erteilung
der Genehmigung ist der Ju1 (3G. § 110). Die