Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

70 
daß ein an sich zulässiges Rechtsmittel im 
gegebenen Falle überhaupt nicht oder nicht 
rechtzeitig eingelegt worden ist, endgültig ge— 
wordener Beschlüsse — auch in reichsgesetzlich 
geordneten Angelegenheiten — durch Klage 
zu. Das Recht hierzu steht dem Oberpräsi- 
denten gegenüber Beschlüssen des Provinzial- 
rats, dem Regierungspräsidenten gegenüber 
Beschlüssen des Bezirksausschusses und dem 
Landrate bzw. dem Vorsitzenden gegenüber 
Beschlüssen des Kreis (Stadt= ausschusses zu. 
Auf Beschlüsse anderer Behörden ist der § 126 
nicht übertragbar (OVS. 40, 300). Bei Be- 
schlüssen des Kreisausschusses in Kommunal= 
angelegenheiten des Kreises findet nicht die 
Klage aus dem § 126, sondern die Beanstan- 
dung nach § 178 KrO. statt, d. h. der Landrat 
versagt die Ausführung des Beschlusses als 
gesetzwidrig durch Verfügung, gegen welche 
klagbar zu werden dem Kreisausschuß über- 
lassen bleibt (s. Beanstandung). Die An- 
fechtungsklage ist stets beim Oberverwaltungs- 
gericht anzubringen, hat aufschiebende Wirkung, 
ist aber an keine Frist gebunden (OV. 36, 371). 
Sie kann nur darauf gestützt werden, daß die 
Beschlüsse die Befugnisse der Behörde über- 
schreiten oder das bestehende Recht. insbesondere 
auch die von den Behörden innerhalb ihrer 
Zuständigkeit erlassenen Verordnungen, ver- 
letzen; eine Kontrolle der Zwechmähigkeit und 
Angemessenheit ist nicht zulässig (OV. 11, 86). 
Ferner ist Voraussetzung der Klage, daß der 
angefochtene Beschluß eine — durch dessen Auf- 
hebung zu beseitigende — rechtliche Wirkung 
äußern würde (O#. 6, 66; 29, 69; 30, 162). 
Beklagte Partei ist die Behörde, deren Be- 
schluß angefochten wird. Diese ist befugt, zur 
Wahrnehmung ihrer Rechte in dem Verfahren 
vor dem Oberverwaltungsgericht einen beson- 
deren Vertreter zu wählen (§ 126 Abs. 2). Das 
Oberverwaltungsgericht Kann immer nur den 
Beschluß aufheben, nicht wie der Revisions- 
richter in der Sache selbst entscheiden. 
Die Klage aus dem § 126 LV#. unterliegt 
legislatorischen Bedenken außer wegen ihrer 
mangelnden Befristung besonders noch des- 
halb, weil dabei über Rechte Dritter entschieden 
werden hann, welche nicht als Parteien zu 
dem Streitverfahren hinzugezogen werden 
müssen und binzugezogen worden sind. Val. 
Aufschiebende irkung und Be- 
schwerde V. 
Angehörige. Uber ihren von dem des 
Familienhauptes abgeleiteten Unterstützungs- 
wohrsitz s. Unterstützungswohnsitz IV, über 
ihre Pflicht zur gegenseitigen Gewährung des 
Unterhalts s. Unterhaltungspflicht. Aber 
Ansprüche der A. aus Betriebsunfällen s. Un- 
fallversicherung IV., Beamte (Arbeiterver- 
sichenung), Gefangene, über Ansprüche der 
A. aus der Invalidenversicherung . d. III, VI5. 
Angelfischerei s. Fischfang. 
Angerhäuser s. Auenrecht. 
Angesessene. Die mit Grundbesitz an- 
gesessenen Gemeindeglieder sind in den 
Grundverfassungsgesetzen vor den nicht an- 
gesessenen hinsichtlich des Stimmrechts ((. 
Gemeindestimmrecht) oder der Zu- 
sammensetzung der Gemeindevertretung (s. d.) 
  
Angehörige — Anilinfarbenfabriken. 
bevorzugt. In den östlichen Provinzen 
werden nach der LöO. vom 3. Juli 1891 
§8 41, 45, in Schleswig-Holstein nach der 
LO. vom 4. Juli 1892 8§ 41, 45, in Hessen- 
Aassau nach der LEO. vom 4. Aug. 1897, 
88 11, 16 unter A. in den Landgemeinden 
solche Gemeindeangehörige verstanden, deren 
Grundbesitz im Gemeindebezirke entweder in 
einem Wohnhause besteht oder vom Staate 
zur Grund= und Gebäudesteuer im Jahres- 
betrage von mindestens 3 M. veranlagt ist. 
Diesen Personen steht gleich, wer in dem Ge- 
meindebezirk, ohne dort einen Wohnsitz zu 
haben, seit zwei Jahren ein landwirtschaftlich 
enutztes Grundstück, das eine selbständige 
chernahrung bildet oder einer solchen gleich 
zu achten ist, oder ein Grundstüchk besitzt, auf 
dem sich ein Wohnhaus, eine Fabrik oder 
eine andere gewerbliche Anlage befindet, die 
dem Werte einer selbständigen Ackernahrung 
mindestens gleichaommen (Forense). Iu 
Hessen-Aassau ist dies dann anzunehmen, wenn 
das Grundstüchk mit einem Jahresbetrage von 
mindestens 16 M. zur Grundsteuer vom Staate 
veranlagt ist. Hedoch kann dieser Betrag für 
einzelne Kreise oder Kreisteile auf Antrag des 
Kreisausschusses durch Beschluß des Provinzial- 
landtages — höchstens auf den doppelten Be- 
trag — erhöht werden. Endlich gelten als A. 
auch die Vertreter von juristischen Personen, 
Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften 
auf Aktien, Berggewerkschaften, eingetragenen 
Genossenschaften, Gesellschaften mit beschränkter 
Haftung und des Staatsfiskus, sofern diese 
seit zwei Jahren Grundstüchke von dem be- 
zeichneten Umfange im Gemeindebezirke be- 
sitzen. In Westfalen soll bei den Abstim- 
mungen in der Gemeindeversammlung nach 
§ 25 der LGO. vom 19. Mrz 1856 den Be- 
sitzern der in die Rittergutsmatrikel einge- 
tragenen Rittergüter und derjenigen Güter, 
von denen mindestens 225 M. Grund= und 
Gebäudesteuer entrichtet werden, in den Ge- 
meindestatuten eine größere Zahl von Stimmen 
beigelegt werden. In der Rheinprovinz 
kommt nach § 46 der LGO. vom 23. Juli 1845 
den mit einem Wohnhaus im Gemeindebezirk 
angesessenen „meistbegüterten“ Grundeigen- 
tümern, welche von ihrem im Gemeindebezirke 
belegenen Grundbesitze zu mindestens 150 M. 
Grund= und Gebäudesteuer jährlich veranlagt 
sind, ein Virilstimmrecht im Gemeinderate zu, 
wenn dieser aus gewählten Gemeindeverord- 
neten besteht (I. Gemetndevertretung) In 
Hannover soll nach der dortigen LGE. vom 
28. April 1859 § 17 bei Abstufungen des Stimm- 
gewichtes in den Gemeindeversammlungen der 
andgemeinden das Stimmgewicht dersenigen 
Grundbesitzer überwiegen, deren Grundeigen- 
tum zur Bewirtschaftung zwei oder mehr Pferde 
erfordert. — In den Städten kommt öfters 
nach den Städteordnungen ein Vorrecht hin- 
sichtlich der Zusammensetzung der Stadtverord- 
seetenversammlung den Hausbesitzern 
. d.) zu. 
Anilinfarbenfabriken sind als chemische 
Fabriken (s. d.) nach GewO. 8§ 16 Genehm 
gungspflichtig. Zuständig für die Erteilung 
der Genehmigung ist der Ju1 (3G. § 110). Die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.