Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

198 Notweg — Obdachlosigkeit 
nungsrecht in bezug auf solche Angelegenheiten bereits beendeten rechtswidrigen Angriff von 
keine Schranken gesetzt, bezüglich deren in der sich oder einem anderen abzuwenden. Die Ab- 
Verfassung nur allgemein eine gesetzliche Rege= wehr des Angriffs durch ein Tier ist keine be- 
lung in Aussicht gestellt wird. N., welchen auch rechtigte N. (R#St. 34, 295), dagegen wird das 
nur eine Kammer (AbgH. oder Herrenhaus) Recht zur N. dadurch nicht ausgeschlossen, daß 
die nachträgliche Zustimmung versagt, treten von der Angriff von einem Unzurechnungsfähigen 
selbst außer Kraft, ohne daß es einer förmlichen oder von einem in unvermeidlichem Irrtum 
Zurücknahme bedarf, was von anderer Seite Handelnden ausgegangen ist (Rt. 27, 44). 
unter Hinweis auf Art. 106 bestritten wird. Un= Andererseits braucht aber der Angriff nicht not- 
berührt bleiben jedoch diejenigen rechtlichen Be= wendig gegen die Person gerichtet zu sein; auch 
ziehungen, welche bis zu diesem Zeitpunkte ein rechtswidriger Angriff gegen das Eigentum 
unter der Herrschaft der N. begründet worden oder gegen andere Rechte genügt. Ob im ein- 
sind. Im Gebiete der Kirchengesetzgebung sind zelnen Falle die gewählte Art der Verteidigung 
N. im § 34 Ziff. 3 Gen SynO. vorgesehen. zur Abwendung des Angriffs erforderlich war, 
Arndt, Vü. 1907, 260 ff. 
Notweg. 
bindung mit einem 
Bestimmung ist aber unzulässig, wenn im Falle 
Die Gestattung des N. liegt den 
Nachbarn eines Grundstücks ob, dem die zur 
ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Ver- 
öffentlichen Wege fehlt 
(BG#. 8 917). Die Verweisung auf die privat-- 
rechtliche Beschaffung des N. auf Grund jener 
der N. wird dadurch allein, daß der Angegriffene 
ist nicht nach der subjektiven Auffassung des 
Handelnden, auch nicht nach dem Werte des be- 
drohten Gutes und der Art und Größe der durch 
den Angriff herbeigeführten oder drohenden 
Rechtsverletzung, sondern lediglich nach der objek- 
tiven Sachlage, insbesondere nach der Art und 
Stärke des Angriffs, zu beurteilen. Das Recht 
der Einziehung eines öffentlichen Weges ein in der Lage war, sich dem Angriffe durch die 
Grundstück von dem alten Zugangswege abge- Flucht zu entziehen, nicht ausgeschlossen, wenn 
schnitten wird (OVG. 30, 232). Bei zeitweiliger die Flucht unehrenhaft oder mit Preisgebung 
Sperrung öffentlicher Wege erstreckt sich die anderer schutzberechtigter Interessen (Ehre oder 
Wegebaulast auch auf die zur Aufrechterhaltung 
des öffentlichen Verkehrs erforderliche Beschaf- 
sung von Notteinstweiligen Ersatz)wegen und 
-brücken (O## G. 40, 268; 41, 234). 
Notwehr. Im modernen Staate macht die 
obrigkeitliche Rechtshilfe regelmäßig die Selbst- 
hilfe, mittels welcher der Berechtigte dem Ver- 
pflichteten gegenüber sein Recht eigenmächtig 
und zwangsweise selbst zur Geltung zu bringen 
sucht, entbehrlich. Diese ist deshalb nur noch 
in engen Grenzen erlaubt. Man unterscheidet 
die defensive Selbsthilfe, d. i. die bloße Abwehr 
eines rechtswidrigen Angriffs (N.), und dic ag- 
gressive, auf Durchsetzung eines rechtlichen An- 
spruchs gerichtete Selbsthilfe. Wegen der Solbst- 
hilfe im Zivilrechte s. die §§ 227—231 Be#B. 
und zum § 228 (Selbsthilfe gegenüber einem 
durch eine Sache drohenden Schaden) RZ. 71, 
240, sowie die Sonderbestimmungen in den 
§§ 859 ff., 1029; EG. Art. 191; § 1090; § 538 
Abs. 2; § 561; § 910; §962; Seemannsordnung 
vom 2. Juni 1902 (RG Bl. 175) §§ 90, 91. Es 
ist danach insbesondere eine durch N. gebotene 
Handlung nicht widerrechtlich (BoB. 8 227). 
Nach § 53 Abs. 1 StG ist eine strafbare Hand- 
lung nicht vorhanden, wenn die Handlung durch 
N. geboten war, d. h. die N. gehört ebenso wie 
der Notstand (s. d. in rechtlicher Bezie- 
hung) zu den Gründen, welche die Strafe aus- 
schließen. 
teidigung, welche erforderlich ist, um einen gegen- 
wärtigen, d. h. unmittelbar bevorstehenden, also 
weder nur erst demnächst zu erwartenden noch 
  
  
Vermögen) verbunden war (Röt. 16, 69). 
Wird über die Grenzen der N. hinausgegangen 
(Notwehrexzeß), so tritt an sich Bestrafung in 
der gewöhnlichen Weise ein. Jedoch ist die 
Uberschreitung der N. nicht strafbar, wenn der 
Täter in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über 
die Grenzen der Verteidigung hinausgegangen 
ist (StGEB. § 53 Abs. 3). Fehlt es an den Vor- 
aussetzungen der N., der Täter glaubte jedoch, 
sich in N. befunden zu haben, oder hatte irr- 
tümlich angenommen, daß die gewählte Art der 
Verteidigung zur Abwehr erforderlich gewesen 
sei, so lann er höchstens wegen Fahrlässigkeit ge- 
straft werden. Für den Jagdberechtigten besteht 
vom Standpunkte der N. aus kein allgemeines 
Recht, fremde Hunde durch Gift oder Erschießen 
zu töten; ob und unter welchen Voraussetzungen 
dies geschehen darf, richtet sich nach Landesrecht 
(SchlHolst Anz. 1906, 61). Wegen Berücksichtigung 
von N. im Konufliktverfahren bei gerichtlichen 
Verfolgungen wegen Amts= und Diensthand- 
lungen s. O# G. 10, 375. Im Verwaltungs- 
rechte gibt es eine allgemeine Befugnis zur 
Selbsthilfe und Berücksichtigung der N. wie im 
bürgerlichen Rechte und im Strafrechte nicht 
(Schultzenstein im Verwü#rch. 16, 123 ff. 
und in der DJ3. 14, 785; O##G. 53, 255). 
v. Alberti, Das Notwehrrecht: Ctker, Über 
Notwehr und Notstand: Rissom, Notwehr und Wassen- 
Hier wie dort ist N. di jenige Ver gebrauch des Militärs: Münz, Die Voraussetzungen und 
"6 ( - 
Wirkungen der Notwehr, des Notstandes und der Nothilfe; 
Neubecker, Zur Lehre von der Notwehr. DJ3. 10, 
l#n: Eltzbacher, Das Anwendungsgebiet der Notwehr, 
Da#.#10, 239: Hold v. Ferneck, Die Rechtswidrig- 
keit, 2. Bd. 1. Abt.: Notstand und Notwehr. 
O 
Obdachlosigkeit. I. Wer nach Verlust seines kommen verschafft hat und auch nicht nachweisen 
bisherigen Unterkommens binnen der ihm von kann, daß er solches ungeachtet der von ihm an- 
der zuständigen Behörde, d. i. der Polizeibehörde, gewandten Bemühungen nicht vermocht hat, also 
bestimmten Frist sich kein anderweitiges Unter= seine O. verschuldet hat, wird mit Haft bestraft,
	        
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