Stadtbezirke — Städte
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gistrats (s. d. III) sein können, auch nicht zu Mit= Gerichtsbarkeit in der S. unter Mitwirkung von
gliedern des S. gewählt werden (vgl. OVG. Gemeindegliedern (leines Schöffenkolle-
17, 79). Da in der Rheinprovinz sämtliche Ma-giums) verwaltete.
gistratsmitglieder der
Vom 12. Jahrh. ab be-
Bestätigung bedürfen stand in den S. ein von den Bürgern gewählter
(Rhein St O. 8 71), so ist eine solche auch für die ge- Rat, der die Verwaltung der S. zusammen
wählten Mitglieder des S. erforderlich.
Zu den mit dem Schultheiß leitete.
Allmählich gelang
nicht wählbaren Mitgliedern gehören nach dem es den S, diesen von der Landes= oder Grund-
MéE. vom 31. Mai 1888 (s. v. Bitter, Die herrschaft ernannten Beamten,
durch einen
Gemeindeverfassungsgesetze der Rheinprovinz, von der Stadtgemeinde gewählten, den Bür-
Anm. zu § 28 der St O.) auch die Beigcordneten, germeister, zu ersetzen. Gleichzeitig wuch-
weil sie gesetzlich Stellvertreter des Vorsitzenden sen die Machtbefugnisse des Rates gegenüber
sind. — Die gewählten Mitglieder des S. können den Bürgern.
An seiner Wahl durften nur be-
aus Gründen, welche die Entfernung eines Be= stimmte Klassen der Bürger teilnehmen. Später
amten aus seinem Amte rechtfertigen (Diszipli-
nargesetz § 2), im Wege des Disziplinarverfahrens
ihrer Stellen enthoben werden (LVG. § 39). —
Der S. ist beschlußfähig, wenn mit Einschluß
des Vorsitzenden drei Mitglieder anwesend sind;
die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit
gefaßt. Bei Anwesenheit einer geraden Zahl
von Mitgliedern nimmt das dem Lebensalter
nach jüngste gewählte Mitglied an der Abstim-
mung nicht teil, dem Berichterstatter steht in
allen Fällen Stimmrecht zu. Für die Dienstauf-
sicht, die Geschäftsleitung, den Eintritt einer
anderen Behörde im Falle der Beteiligung der
Stadtgemeinde bei der Angelegenheit, sowie für
die Tätigkeit des S. als Beschlußbehörde und die
Ausübung der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch
ihn sind, abgesehen von der beschränkten sachlichen
Zuständigkeit des S., für ihn dieselben Vorschriften
maßgebend wie für den Kr A. (s. Kreisaus-
schüsse; Magistrate).
Stadtbezirke s. Gemeindebezirke.
Städte sind in Deutschland, wenn man von den
alten römischen Wohnplätzen in den Grenz-
gebieten am Rhein und an der Donau absieht,
erst im Mittelalter entstanden. Sie haben sich
aus Ansiedlungen entwickelt, denen das Markt-
recht durch den König verliehen worden war.
Mit diesem Recht war eine besondere Gerichts-
barkeit verbunden, die vom Könige durch seine
Beamten (Burggraf, Schultheiß)aus-
geübt wurde. Der Königsbann schützte vor Ver-
letzung des Marktfriedens. Die Marktorte wurden
bald der Mittelpunkt des Verkehrs, Handels und
Gewerbebetriebes. Sie erhielten infolgedessen
zum Schutz der dort angesammelten Güter Be-
festigungen durch Mauern und im Laufe
der Zeit immer größere Privilegien, Freiheiten
und hiermit eine ständig wachsende Unabhängig-
keit von der Landesherrschaft. In späterer Zeit
sind auch von weltlichen und geistlichen Landes-
herren und Grundherren bestehende Ansied-
lungen zu S. erhoben und neue S. gegründet
worden. Ihre Verfassung beruhte auf dem
Rechte, mit dem sie bewidmet wurden. Aus
diesem Recht und den eigenen Satzungen der
Städtebewohner (Willeküren) entweckelten
sich für die einzelnen S. besondere Stadt-
rechte,. wie das Soester, Dortmunder, Mün-
stersche, Lübische und Magdeburgische, die dann
bei Gründung neuer S., namentlich im 12. und
13. Jahrh. während der Kolonisation des sla-
wischen Ostens, auf diese mittels Verleihung von
Handfesten (urkunden) übertragen wurden.
Ursprünglich stand an der Spitze der S. der vom
Landesherrn oder Grundherrn ernannte Schult-
heiß (in bischöflichen S ein Vogt), der die
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 2. Aufl. II.
wurde auch dieses Wahlrecht beseitigt, der Rat
ergänzte sich selbst durch Zuwahl aus den rats-
fähigen Geschlechtern (Patrizierfami-
lien). Im 14. und 15. Jahrh. gelang es den
Zünften, Anteil an der Stadtverwaltung zu
gewinnen, entweder in der Form, daß ihnen be-
stimmte Ratsstellen zugewiesen wurden, oder daß
neben dem alten engeren Rat ein weiterer ge-
bildet wurde. Die Art, in welcher die Wahl
des Bürgermeisters und des Rats stattfand, war
in den einzelnen S. verschieden. Der Rat übte
durch Erlaß von Ordnungen, Statuten usw. eine
gesetzgebende Gewalt aus, bewirkte die Bestene-
rung der Bürger, verwaltete das Kriegswesen
der S., die Polizei und Gerichtsbarkeit. Am
Ende des Mittelalters bildeten infolge dieser Ent-
wicklung die S. im Deutschen Reich nahezu
selbständige kleine Staaten. Die Mißwirtschaft,
die sich in ihnen ausbildete, führte im 16. Jahrh.
zum Einschreiten der Landesherren, die sich be-
mühten, die S. ihrer Landeshoheit zu unter-
werfen. Eine solche Anderung im Städtewesen
setzte in Brandenburg namentlich der Große
Kurfürst mittels Einführung der Akzise (einer
indirekten Steuer auf Lebensmittel) und der
Errichtung landesherrlicher Garnisonen in
den S. durch. Die mit der Verwaltung der Ak-
zise beauftragten landesherrlichen Kommissare
wurden später durch die Steuerräte er-
setzt, auf die dann unter Friedrich Wilhelm 1.
und Friedrich II. die eigentliche Leitung der
ganzen Stadtverwaltung überging. Sie wurde
in ihrem ganzen Umfange unter eine die alte
Selbstverwaltung völlig beseitigende Staats-
aussicht gestellt. Auf diesem Standpunkt befand
sich auch noch das Städterecht des ALR. für die
preuß. Staaten von 1794. Hiernach mußte das
Stadtrecht vom Könige besonders verliehen
werden. Die Einwohner der S. waren entweder
Bürger, die das Bürgerrecht besaßen, oder
Eximierte, die infolge ihres Amtes oder
besonderer Privilegien von der städtischen Ge-
richtsbarkeit befreit waren, oder Schutzver-
wandte, die keiner jener beiden Klassen an-
gehörten. Das Bürgerrecht war Vorbedingung
für die Befugnis zum Gewerbebetrieb. Die
Zünfte und sonstige städtische Korporationen
wählten Repräsentanten zur Verhandlung ge-
meinschaftlicher Angelegenheiten, die an die
Aufträge ihrer Wähler gebunden waren. Der
die Stadtobrigkeit darstellende Magistrat
wurde entweder von der Gemeinde gewählt oder
vom Landesherrn bestellt. Er hatte die Rechte
der S. wahrzunehmen und ihre Angelegenheiten
zu verwalten, insbesondere auch die Ortspolizei
und die Gerichtsbarkeit, jedoch unter einer weit-
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