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Steuerfreiheit des Branntweins
ebenfalls unbrauchbar zum Trinkgenusse gemacht Vermischung des in vorgeschriebener Menge und
ist, aber nur in einer Weise, die zur Verhütung
der mißbräuchlichen Verwendung des Brannt-
weins noch weitere Maßnahmen erheischt. Dem
gewerblichen Verwendungszweck ist das Ver-
gällungsmittel angepaßt; 3. für Branntwein, der
ohne Vergällung algelassen wird an Kran-
ken-, Entbindungs= und ähnliche Anstalten und an
öffentliche wissenschaftliche Lehranstalten zur Ver-
wendung innerhalb ihres Betriebs zu Heil-
zwecken oder zu sämtlichen wissenschaftlichen
Zwecken und an militärische Anstalten und
an Pulver= und Knallquecksilberfabriken zur Her-
stellung von rauchschwachem Pulver, Zünd-
sätzen und Knallauecksilber, sowie von Lacken,
die zur Fertigstellung von Schießbedarf bestimmt
sind. In allen diesen Fällen darf es sich nur
um Branntwein handeln, der noch nicht in den
freien Verkehr gelangt ist, sondern noch unter
amtlicher Uberwachung steht.
b) Umfang der Steuerfreiheit.
Die Steuerfreiheit umfaßt: 1. den Erlaß der Ver-
brauchsabgabe, und in den Fällen der Vergäl-
lung mit einem anderen Mittel als Essig; 2. die
Vergütung der Betriebsauflage (G. 88 3 u. 54
bis 58). Die Verbrauchsabgabe wird von dem
unter amtlicher Uberwachung stehenden Brannt-
wein nicht erhoben. Die Betriebsauflage (s. d.),
die der Brennereibesitzer bereits entrichtet hat,
wird vergütet. Das Gesetz unterscheidet: u. die
ein fache Vergütung :; sie wird für un-
vollständig vergällten Branntwein gewährt, aus-
genommen Branntwein, der mit Essig zur Her-
stellung von -Speiscessig vergällt ist (s. Essig-
säureverbrauchsabgabe). 6. Die
Doppelvergütung; sie wird nur ge-
währt für Branntwein, der vollständig vergällt
ist und der zur Herstellung von technischem
Essig für die Gewinnung von Bleiweiß und
essigsauren Salzen mit einem anderen Mittel
als Essig unvollständig vergällt worden ist. Die
Vergütungssätze der Betriebsauflage sind vom
B. mindestens einmal im Jahre nachzuprüfen
und gegebenenfalls zu erhöhen oder zu ermäßigen,
so daß die Ausgaben die aus den Einnahmen
an Betriebsauflage und dem daraus angesam-
melten Geldbestande (G. § 59) versügbaren
Geldmittel nicht überschreiten. Für das Be-
triebsjahr 1910 ist durch § 55 Abs. 2 des G. der
einfache Vergütungssatz auf 9 8 für 1 1 Alkohol
"estgesetzt.
c) Die Vergällung des Brannt-
weins. Zur vollständigen Vergäl-
lung wird dem Branntwein ein Gemisch von
4 Raumteilen Holzgeist und 1 Raumteil Pyridin=
basen in einer Menge von 2,5 1 auf 100 1 Al-
kohol beigemischt; die vollständige Vergällung
kann auch in der Weise erfolgen, daß dem Brannt-
wein nur 1,25 1 dieses „allgemeinen Ver-
gällungsmittels“ und außerdem 0,25 I
Kristallviolettlösung und 2—201 Benzol auf je
100 1 Alkohol zugesetzt werden. Zur Zusammen-
setzung des allgemeinen Vergällungsmittels sind
bestimmte unter amtlicher Aussicht stehende Ge-
werbeanstalten ermächtigt; die allgemeinen und
besonderen Vergällungsmittel sind chemisch zu
untersuchen und bis zu ihrer Verwendung unter
amtlichem Verschlusse zu halten. Bei der amt-
lich überwachten Vergällung ist für gründliche
Beschaffenheit zugesetzten Mittels mit dem
Branntwein zu sorgen (BefrO. 9§ 9—11). Es
ist verboten, aus vergälltem Branntwein das
Vergällungsmittel ganz oder teilweise auszu-
scheiden oder dem vergällten Branntwein Stoffe
beizufügen, durch welche die Wirksamkeit des
Vergällungsmittels vermindert wird (§ 12). Der
vollständig vergällte Branntwein darf unbe-
schränkt verwendet werden; unzulässig ist seine
Verwendung nur zur Herstellung von Speise-
essig und Fabrikaten, die zum menschlichen Ge-
nusse dienen. Wegen der für den Handel mit
vollständig vergälltem Branntwein bestehenden
Beschränkungen s. Kleinhandel II. Die
unvollständige, zur Verhütung von Mißbräuchen
allein nicht ausreichende Vergällung erheischt
(s. oben II a) noch weitere Maßnahmen. Vcgl.
hierzu §§ 16—21 BefrO. Besondere Vorschriften
gelten nach §§ 22—27 a. a. O. für die Vergäl-
lung mit Essig, Holzgeist, Terpentinöl und für
die Überwachung der Verwendung des Athers
und Essigäthers, der aus vollständig oder un-
vollständig vergälltem Branntwein unter In-
anspruchnahme der Steuerfreiheit hergestellt ist,
sowie von zur Herstellung von Bleiweiß und
essigsauren Salzen bestimmtem Essig, der aus
mit anderen Mitteln als Essig unvollständig ver-
gälltem Branntwein hergestellt ist.
d) Steuerfreie Verwendung von
unvergälltem Branntwein (s. oben
II a 3). Von den eingehenden Vorschriften sei
nur hervorgehoben, daß hauptzollamtliche Ge-
nehmigung erforderlich ist, daß der Branntwein
nur zu den erlaubten Zwecken in den begünstigten
Anstalten verwendet und insbesondere an andere
nicht abgegeben werden darf (§8§ 31, 34). Die
Überwachung stützt sich im wesentlichen auf eine
vorgeschriebene Buchführung — BefrO. 8 39 —
des Berechtigten. Hinsichtlich der Steuerauf-
sicht finden die für unvollständig vergällten
Branntwein gegebenen Vorschriften (s. oben
IIc) Anwendung. Da es sich hierbei vorwiegend
um staatliche oder öffentliche Anstalten handelt,
die Vertrauen genießen, können wesentliche Cr-
leichterungen in der Verwendungskontrolle ge-
währt werden.
III. Steuerfreie Aus fuhr von
Branntwein und Branntwein-
fabrikaten. 1. Voraussetzungen
und Umfang der Steuerfreiheit.
Erlaß oder Erstattung der Verbrauchsabgabe und
Vergütung der Betriebsauflage werden bei der
Ausfuhr von Branntwein, Branntweinfabri-
katen und von unter Verwendung von unvoll-
ständig vergälltem Branntwein hergestellten Er-
zeugnissen aus dem deutschen Zollgebiete nach
den Vorschriften der §§ 55—57 des G. und §§ 48
und 76 m BefrO. gewährt, und zwar a) für
rohen und gereinigten, unter amtlicher Über-
wachung stehenden Branntwein: der Erlaß der
Verbrauchsabgabe und einfache Vergütung der
Betriebsauflage (s. oben II b a); b) für den
aus Zwetschen oder Kirschen hergestellten Brannt-
wein, sofern der Branntwein, der mit Zucker
oder anderen alkoholfreien Stoffen versetzt wer-
den darf, unter amtlicher Überwachung steht:
der Erlaß der Verbrauchsabgabe und die Doppel-
vergütung der Betriebsauflage; ist der Brannt-