Strafverfügungen, polizeiliche 661
bare Handlung, Zeit und Ort derselben, die an-- (Erl. vom 7. Jan. 1893 — MVBl. 26; vom 5. Sept.
gewendeten Strafvorschriften, die Beweismittel1892 — MBl. 345; vom 25. März 1895 — MVBl.
— bei Zeugen Namen, Stand und Wohnort 141; vom 1. Nov. 1899 — MVBl. 238). Die lange
(Erl. vom 27. April 1906 — M l. 179) — sowie bestritten gewesene Frage, ob die Zurücknahme
die Kasse, an welche die Geldstrafe zu zahlen ist. der Strafverfügung noch nach Ubersendung der
Sie muß ferner die Eröffnung enthalten, daß der Akten an die Amtsanwaltschaft zulässig ist, hat
Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen der Erl. vom 6. Mai 1902 (M Bl. 86) in bejahen-
einer Woche nach der Bekanntmachung bei der dem Sinne entschieden, doch soll zuvor das
Polizeibehörde, welche diese Verfügung erlassen Einverständnis der Amtsanwaltschaft eingeholt
hat, oder bei dem zuständigen Amtsgericht auf werden. Die gerichtliche Entscheidung erfolgt
gerichtliche Entscheidung antragen könne, und im ordentlichen Verfahren vor dem Schöffen-
daß die Strafverfügung, falls innerhalb der be= gericht (St PO. §§ 406 45).
stimmten Frist ein Antrag auf gerichtliche Ent-z III. Die durch polizeiliche Strafverfügungen
scheidung nicht erfolgt, vollstreckbar werde (St= festgesetzten Geldstrafen sowie die ein-
PO. 8 153 Abs. 3: § 4des G.). Die ausgesertigte gezogenen Gegenstände fallen dem zu, der die
Strafverfügung ist dem Beschuldigten durch sachlichen Kosten der Polizeiverwaltung zu
einen vereideten öffentlichen Beamten oder durch tragen hat, insoweit nicht besondere Vorschriften
die Post zuzustellen (§ 5 des G.; Anw. 8 10). Die Abweichendes bestimmen (§ 7 Abfs. 1 des G.).
im § 453 St PO. vorgesehene Beschwerde bei Die eingehenden Beträge sind zuerst auf die
der vorgesetzten Behörde ist in Preußen nicht Strassumme, dann auf die Kosten und Auslagen
zugelassen (§ 3 des G.; Anw. § 11). Die Auf= zu verrechnen (Erl. vom 25. Jan. 1908 — Mhl.
sichtsbehörden dürfen Strafverfügungen der
aufheben, sie haben Beschwerden über solche
zurückzuweisen, und werden nur in besonders
dringenden Fällen Gelegenheit nehmen, sofern
die Verfügung noch nicht rechtskräftig und noch
nicht mit dem Antrage auf gerichtliche Ent-
scheidung angefochten ist, die untere Instanz zur?
Milderung oder zur Zurücknahme anzuweisen
(Erl. vom 7. März 1894 — MhBl. 43; O#.
vom 6. Juni 1898 — Pr VBl. 20, 279). Gegen
die polizeiliche Strafverfügung kann der Be-
schuldigte — falls er im Alter zwischen 12 und
18 Jahren steht, auch sein gesetzlicher Vertreter —
binnen einer Woche nach der Bekanntmachung
auf gerichtliche Entscheidung antragen, und zwar
bei der Polizeibehörde schriftlich oder mündlich,
worüber eine Verhandlung aufzunehmen ist,
bei dem Amtsgerichte — nicht bei der Amts-
anwaltschaft — schriftlich oder zu Protokoll des
Gerichtsschreibers, der darüber eine Bescheini-
gung auszustellen hat (§§ 3, 9 des G.; St PO.
§ 454; Anw. 8 11; Erl. vom 9. Juli 1883 — MBl.
175). Gegen die Versäumnis der Antragsfrist
infolge von Naturereignissen oder anderen un-
abwendbaren Zufällen kann binnen einer Woche
nach Beseitigung des Hindernisses bei der Polizei-
behörde oder dem Amtsgerichte die Wieder-
einsetzung in den vorigen Stand nachgesucht
werden, die Entscheidung erfolgt durch den
Amtsrichter. Als unabwendbarer Zufall ist es
insbesondere anzusehen, wenn der Antrag-
steller von der Zustellung der Strafverfügung
ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt
hat (St PO. §8§ 454, 44, 45; Anw. § 12). Ist
ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung ein-
gegangen, so übersendet die Polizeibehörde
die Akten an den Amtsanwalt, falls sie die
Strafverfügung nicht zurücknimmt (St P. 8§ 454
Abs. 2; Anw. §## 11, 12). Auch ohne Antrag
auf richterliche Entscheidung können Straf-
verfügungen, welche noch nicht rechtskräftig
geworden sind, zurückgenommen oder gemildert
werden, wenn zu ihrem Erlaß ein rechtlicher
oder tatsächlicher Irrtum Veranlassung gegeben
hat, oder wenn der Betroffene nachweist, daß
37).
unterstellten Polizeibehörden nicht mildern oder:
Schulversäumnisstrafen (s. d.) fließen zur
Schulkasse (Erl. vom 9. Okt. 1890 — MBl. 262),
Geldstrafen wegen Verletzung der Gesindeord-
nung zur Ortsarmenkasse (Gesindeordnung vom
8. Nov. 1810 — GS. 102 — 88§ 12, 31, 176;
G. vom 24. April 1854 — GS. 214 — § 5),
Geldstrafen wegen Zuwiderhandlung gegen das
Krankenkassengesetz zur Krankenkasse (G. vom
10. April 1892 — Rl. 417 — § 82c). Die
Einziehung einer durch rechtskräftige polizeiliche
Strafverfügung verhängten Geldstrafe, welche
nicht freiwillig binnen der gesetzten Frist gezahlt
wird, erfolgt nach Vorschrift der V. vom 15. Nov.
1899, betr. das Verwaltungszwangsverfahren
wegen Beitreibung von Geldstrafen (GS. 545).
Eine Mahnung braucht der Vollstreckung von
Polizeistrafen nicht vorauszugehen (Erl. vom
15. März 1888 — Ml. 90). Haftstrafen werden.
in den Polizeigefängnissen (s. d.), in der Rhein-
provinz auch in den Kantongefängnissen (s. d.)
verbüßt. Das polizeiliche Strafverfügungsver-
fahren ist stempel- und gebührenfrei. Nur die
baren Auslagen (Postgebühren, Kosten der Bei-
treibung der Geldstrafen, Haft= und Transport-
kosten) fallen dem Beschuldigten, gegen den die
Strafe endgültig festgesetzt ist, zur Last (§6 des G.;
Anw. 8§ 20), falls dieser sich als zahlungsunfähig
erweist, demjenigen, der die sachlichen Kosten
der Polizeiverwaltung zu tragen hat (§ 7 Abs. 2
des G.; s. Polizeikosten und Einliefe-
rungskosten wegen Polizeiüber-
tretung verurteilter Personen).
Gegen jugendliche Personen im Alter von
12—18 Jahren sollen polizeiliche Strafverfü-
gungen nur erlassen werden, wenn eine gewissen-
hafte Prüfung zweifelfrei ergibt, daß das schuldige
Kind die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforder-
liche Einsicht besessen hat. Um zu vermeiden,
daß Kinder bei Unbeitreiblichkeit einer durch
polizeiliche Strafverfügungen verhängten Geld-
strafe den Gefängnissen zuge führt werden müssen,
ist das Strafmaß gegen jugendliche Üübertreter
so zu wählen, daß die Geldstrafe bezahlt werden
kann und die Umwandlung in Haft unterbleibt.
Auch ist die ratenweise Abzahlung der gegen
Kinder festgesetzten Geldstrafen zu begünstigen,
es nicht in seiner Macht lag, die Übertretung, äußersten Falles an Allerhöchster Stelle der Er-
deren er sich schuldig gemacht hat, zu vermeiden laß der Strafe im Gnadenwege vorzuschlagen