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(Ml. 30) und der Vf. vom 8. Dez. 1905 (HM-
Bl. 338) beigegebenen T. für die Berechnung
des Kostenpauschauantums im Verwaltungs-
streitverfahren enthalten an sich eben-
falls bloß die Grundsätze, führen diese aber
in den ihnen anliegenden Tabellen A (Kosten
bei dem Oberverwaltungsgerichte), B (Kosten
des Verwaltungsstreitverfahrens bei den Bez A.
bzw. den Berg A.) und C (Kosten des Ver-
waltungsstreitverfahrens bei dem Kr A. und der
an dessen Stelle tretenden Behörde) erschöpfend
durch. Gewerbliche Tarifvereinbarungen sind
Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und
Arbeitgebern über die Arbeitsbedingungen, Löhne,
Arbeitszeit, Überarbeit usw. und bestehen jetzt
zahlreich (sog. Arbeitstarifverträge oder bloß
Tarifverträge; vgl. die Art. Arbeitsver-
trag und Tarifverträge auf ge-
werblichem Gebictc). Sie haben die
Eigenschaft entweder von Individualverträgen
oder von kollektiven Verträgen, bei denen
die Mehrheit, die den Vertrag auf seiten der
Arbeiter schließt, nicht organisiert und nur zum
Zwecke des Vertragsabschlusses zusammengetreten
ist, oder von korporativen Verträgen, bei welchen
die Arbeitnehmer eine Organisation sind, die
einen rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen
Verein bildet. Die älteste und bekannteste
Tarifvereinbarung ist die der Buchdrucker. (Über
Tarifverträge s. besonders die Gutachten für den
29. Deutschen Juristentag und dessen Verhand-
lungen im Jahre 1908 und über ihre Rechts-
wirksamkeit mit Rücksicht auf § 152 GewO.
v. Landmann in der DJ3. 15, 497.) Eisen-
bahntarife heißen die Zusammenstellungen der
Bedingungen und Preise für die Beförderungen
auf den Eisenbahnen und die damit verbundenen
besonderen Nebenleistungen.
Tarifvertrag ist ein Handelsvertrag, in dem
der eine Vertragsstaat dem anderen für be-
stimmte Waren eine Beseitigung, Ermäßigung
oder Bindung der Zollsätze seines autonomen
Zolltarifs zusagt. Näheres s. Handelsver-
träge.
Tarifverträge auf gewerblichem Gebiete.
Die Regelung der Dienstverhältnisse zwischen
Arbeitgebern und Arbeitern erfolgt in der Regel
im Wege des individuellen Arbeitsvertrags oder
durch die Arbeitsordnung (s. d.). Neuerdings
wird mehr und mehr diese Regelung im Wege
des Tarifvertrags üblich, die auch als kol-
lektive Arbeitsverträge bezeichnet
werden, obwohl hierunter streng genommen
individuelle Arbeitsverträge zu verstehen sind,
die von einer Mehrheit von Arbeitgebern und
einer Mehrheit von Arbeitern durch Bevoll-
mächtigte unmittelbar geschlossen werden. Tarif-
verträge im eigentlichen Sinne sind Verein-
barungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitern
über die Grundlagen, die fär die abzuschließen-
den individuellen Arbeitsverträge maßgebend
sein sollen. Der Tarifvertrag hat keine un-
mittelbare bindende Wirkung, so daß es für den
einzelnen Arbeitgeber oder Arbeiter ausge-
schlossen sein würde, einen abweichenden Vertrag
zu schließen. Im allgemeinen ist aber anzu-
nehmen, daß die bei Abschluß des Tarifvertrages
Beteiligten den individuellen Arbeitsverträgen den
Inhalt des Tarifvertrags zugrunde legen wollen.
Tarifvertrag — Taubstumme
Hat ein Arbeitgeberverein und eine Gewerk-
schaft den Tarifvertrag abgeschlossen, so gilt er
für alle dem Arbeitgeberverein oder der Gewerk-
schaft angehörenden Mitglieder, sofern dies die
Statuten oder die Vollmachten aussprechen.
Wird der Tarifvertrag von einem Teile gebrochen,
so hat der andere Teil Anspruch auf Erfüllung
oder Schadenersatz oder auf Konventionalstrafe,
falls eine solche verabredet ist (RG Z. 73, 92).
Der Arbeitgeber kann von der Gewerkschaft
also verlangen, daß sie die kontraktbrüchigen Ar-
beiter zur Erfüllung des Vertrages anhalte oder
ausschließee. Bei etwaigen Schadenersatzan-
sprüchen haftet das Vermögen der Gewerk-
schaft. Umgekehrt kann die Gewerkschaft fordern,
daß der Arbeitgeber tarifwidrige Verträge oder
Arbeitsordnungen beseitige und kann die Voll-
streckung durch Geldstrafen gemäß ZPO. 8 890
erzwingen. In den Tarifverträgen finden sich
in der Regel eingehende Vorschriften über die
Durchführung des Vertrags (Schiedsgerichte,
Konventionalstrafen usw.). Die in Abweichung
von Tarifverträgen geschlossenen individuellen
Arbeitsverträge sind rechtsgültig. -
Schmelzer, Tarifgemeinschaften, 1906; Lotmar,
Arbeitsvertrag, 1910; Huglin, Der Tarifvertrag, 1906;
Rundstein, Die Tarifverträge und die moderne
Rechtswissenschaft, 1906; Schall, Das Privatrecht der
Tarifverträge, 1907. "
Tauben s. Tierfang, Brieftauben.
Taubstumme. I. Für die Unterweisung
der taubstummen und blinden Kinder sind be-
sondere Anstalten errichtet, welche teils Ver-
einen, teils den Provinzialverbänden gehören.
Den letzteren ist durch das Dotationsgesetz vom
8. Juli 1875 (GS. 497) § 4 die Fürsorge für
das Taubstummenwesen übertragen. Eine
Schulpflicht für T. besteht nur in der
Prov. Schleswig-Holstein (Patent vom 8. Nov.
1805 — Chron. Samml. d. V. 291). Doch
kann unter Umständen eine Unterbringung in
Anstalten auf dem Wege der Fürsorgeerziehung
erzwungen werden (UZBBl. 1906, 700). ber
die Anmeldung zur Aufnahme bestimmt der
Erl. vom 13. Mai 1892 (UhZl. 848). Beim
Unterricht ist die Lautsprache anzuwenden (U.
Bl. 1892 S. 864, 867). Über die Schulaufsicht
bei den provinziellen Taubstummenanstalten s.
Provinzialanstalten II, über die An-
rechnung des Dienstes bei Taubstummenanstalten
für Volksschullehrer Lehrerbesoldung
II, 2f. — Ein Gesetzentwurf betr. die Regelung
der Schulpflicht der Taubstummen und Blinden
liegt zurzeit (Mai 1911) dem Landtage vor.
II. Künstler und Handwerker, die T. als
Lehrlinge annehmen und auslehren, er-
halten eine Prämie von höchstens 200 .K (KabO.
vom 16. Juli 1817, abgeändert durch Kab.
vom 14. Juni 1907 — HMBl. 220). Die Be-
willigung der Prämie ist durch Erl. vom 5. Nov.
1853, abgeändert durch Erl. vom 29. Juli 1892,
vom 19. Juli 1907 (HMl. 291) und vom
30. Juni 1908 (HMBl. 270) dem Regierungs-
präsidenten übertragen, sofern folgende Voraus-
setzungen vorliegen: 1. Der Lehrherr muß die
Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen besitzen
und Deutscher sein. Frauen müssen das Ge-
werbe nach GewO. 8 14 angemeldet haben.
2. Der Lehrling muß nach Bescheinigung des
Leiters einer öffentlichen Taubstummenanstalt