Die vier kirchlichen Gesetzentwürfe Fatks. 81
Ein weiterer Gesetzentwurf über die kirchliche Disziplinargewalt und die
Errichtung eines königlichen Gerichtshofes für kirchliche Angelegen-
heiten emhielt folgende Bestimmungen:
„Die kirchliche Disziplinargewalt darf nur von dentschen Behörden ausgeübt werden.
Strafen gegen Freiheil und Vermögen dürfen nur nach Anhörung des Beschuldigten verhängt
werden. Der Entfernung aus dem Amte muß ein geordnetes Prozeßverfahren vorausgehen.
Körperliche Züchtigung ist unzulässig. Geldstrasen dürfen den Betrag von 30 Thalern oder des
Verweisung in eine Demeritenanstalt bestehen, die Dauer von drei Monaten nicht übersteigen
und nicht gegen den Willen des Betrosfenen vollstreckt werden. Diese Demeritenanstalten, weiche
auf deutschem Gebiet liegen müssen, sind der Aufsicht und Visitation der Oberpräsidenten der
Provinz unterworfen, und von der Ansnahme von Demeriten, sowie von anderen kirchlichen
Disziplinarentscheidungen ist dem Oberpräsidenten sofort Milteilung zu machen, unter Angabe
der Enischeidungsgründe. Die Mitwirkung des Staates an der Vollstreckung solcher Diszipli-
narentscheidungen hängt von der Billigung derselben seitens des Oberpräsidenten ab. Gegen
Entscheidungen der kirchlichen Behörden steht jedem Betrossenen Bernsung an den löniglichen
Gerichtshof für lirchliche Angelegenheiten offen, falls bei der verhängten Strafe die gesetzlichen
Bestimmungen nicht eingehalten sind, oder dieselbe auns Gründen ausgesprochen wurde, welche
gegen die bürgerlichen Gesetze verstoßen. Doch kann die Berufung auch vom Oberpräsidenten
im Interesse der öskentlichen Ordnung eingelegt werden, und der Gerichtshof kann auch ohne
Berufung sich zum Einschreiten veranlaßt sehen. Kirchendiener, welche die Vorschriften der
Staatsgesetze und die obrigkeitlichen Anordnungen verletzen, können auf Antrag der Slaats.
behörde durch gerichtliches Urteil aus ihrem Amte entlassen werden, wenn ihr Verbleiben in dem-
selben mit der öffentlichen Ordnung unvereinbar erscheint. Die Anrufung des lirchlichen Gerichts-
hofs erfolgt, wenn die der lirchlichen Instanz ohne Erfolg geblieben ist.“" Der Gerichtshof fällt
die Entscheidungen nach freiester Beweiswürdigung, hat feinen Sitz in Berlin und „besteht aus
els Mitgliedern, von denen der Präsident und wenigstens fünf andere Mitglieder ekatmäßig an-
gestellte Richter sein müssen“.
Der letzte dieser Gesetzentwürse handelte vom „Austritt aus der Kirche“,
hob alle bis dahin noch bestehenden gesetzlichen Erschwerungen dieses Schrittes, wie kirch-
liche Abmahnungen 2c., auf, und bestimmte, daß jeder, der mit bürgerlicher Wirkung aus der
Kirche austreten will, welcher er bisher angehörte, dies persönlich dem Richter seines Wohnortes
zu erklären habe, welcher ein Protokoll darüber aufnimmt, auf Verlangen eine Bescheinigung
erleilt und dem beteiligten Kirchenvorstande eine Abschrist des Protokolles zustellt.
Die wichtigsten dieser neuen Vorlagen waren unzweifelhaft diejenigen über die
Vorbildung der Geistlichen und über die kirchliche Disziplinargewalt. Deun dadurch
wurde in Zukunft der katholische Geistliche in seiner Erziehung und Bildung wie in
seinem Amte als „Kirchendiener“ zu einem nationalen deutschen Manne gemacht, nicht
zu cinem Nömling, welcher vor ausländischer Willkür zittern mußte, wenn er nicht
sein Vaterland verlengnete und gegen dessen Gesetze sich empörte. Falk selbst betonte
das bei Vorlegung der Gesetze im Abgeordnetenhause am H. Januar, nachdem er nach-
drücklich darauf hingewiesen hatte, „daß die preußische Negierung in ihrer höchsten
Spitze nicht gespalten ist, und daß diese Gesetzentwürfe in freier, voller und ganzer Ein-
mütigleit der Minister der Allerhöchsten Sanktion unterbreitet wurden“.
Glum, Das Deutsche Neich zur Zeit Viemarcke. 6