190 1, 11. Bismarcks auswärlige Politik (1872— 78).
verdient um das Vaterland gemacht.“ Der Präsident des Reichstags Dr. Simson
sagte am Schlusse der kurzen Erörterung: der Reichstag habe mit hoher Befriedigung
von der Ubereinkunft Kenntnis genommen. Und Fürst Bismarck erwiderte darauf:
„Es gibt für einen Staatsbeamten keine höhere Befriedigung als die Anerkennung,
die ihm von den Vertretern der Gesamtheit seiner Landsleute zu teil werden kann.
Ein solcher Ausspruch ist für mich ein Sporn, eine Ermutigung, und ich kann sagen,
eine Arznei den Schwächen gegenüber, mit denen ich kämpfe, wenn ich meinen Dienst
thue.“ Graf Arnim mochte den geheimen Sinn dieser Worte, als er sic las, am
besten verstehen.
Für den wackeren Präsidenten Thiers war der 17. März, der Tag, an welchem
die Kammer das Abkommen vom 15 März durch den Minister des Außern de Né=
musat mitgeteilt erhielt, der letzte Tag reiner Frende und gerechten Stolzes. Denn da
vereinigte sich die ganze Kammer zu der einstimmigen dankenden Huldigung: „Thiers
hat sich wohlverdient gemacht für das Vaterland.“ Thiers glaubte damit eine neuc
danernde Grundlage seiner Macht geschaffen zu haben und schritt dazu, auch die
Nepublik dauernd auf verfassungsmäßige Grundlage zu stellen, indem er der am
19. Mai aus den Ferien zurückkehrenden Kammer die Vorlagen über die Einrichtung der
öffentlichen Gewalten der Republik und Einführung des Zweikammersystems überreichen
ließ. Auch sein bis dahin meist aus allen Parteien zusammengesetztes Ministerium hatte
er inzwischen durch Ernenming dreier republikanischer Minister einheitlicher gestaltet.
Die monarchische Mehrheit der Versammlung nahm aber grade diese letzte Regierungs-
handlung zum Vorwand eines Mißtrauensvotums gegen Thiers, welches am 24. Mai
mit 360 gegen 344 Stimmen Annahme fand. Diese Mehrheit war eine künstliche und
konnte vom 24. Mai (einem Sonnabend) sich schon bis zum nächsten Sitzungstage (am
Montag) in eine Minderheit verwandeln. Um das zu verhindern, beschloß die augen-
blickliche Mehrheit, den Präsidenten Thiers sofort zu einer Antwort auf das ihm er-
teilte Mißtrauensvotum auszufordern. Natürlich konnten Thiers und seine Minister
daraushin nur ihre Entlassung einreichen, und nun verschritt die monarchische Nechte
allein, da die ganze republikanische Linke den Saal verlassen hatte, in der dritten Sitzung
dieses einen Tages nachts 11 Uhr zur Wahl eines neuen Präsidenten, des Mar-
schalls Mac Mahon, welcher vor Mitternacht auchschon sein Umtangenommen hatte.
Er konnte der Kammer auch sofort das von der Rechten im stillen längst bereitgehaltene
und von ihm natürlich angenommene konservativ-monarchische Ministerium vorstellen,
an dessen Spitze den Herzog von Broglie als Minister des Auswärtigen. Dem Aus-
lande gegenüber wurde selbstverständlich versichert, daß man lediglich die Politik von
Thiers sortsetzen werde. Aber im In= und Auslande wurde Mac Mahon mur als
Platzhalter für den künftigen König der Franzosen, den Grafen Chambord, betrachtet.
Graf Arnim erkannte jetzt in einem Bericht vom 27. Mai an Bismarck und in
einer Immediateingabe an den Kaiser vom 8. Jumi plötzlich an, daß die besie Re-
gierung in Frankreich für uns immer diejenige sein werde, welche den größten Teil
ihrer Krafst auf die Belämpfsung ihrer inneren Feinde verwenden müsse. Bismarck
hielt nummmehr dem Grafen in einem scharfen Erlasse vom 19. Juni vor, welches Un-