Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

1. 13. Fürst Bismarck und die Parteien. „Friktionen.“ (1871—78.) 
t2 
18 
i 
13. Fürst Bismarck und die Parteien. „Friktianen.“ 
(1871—78.) 
Die gewaltigen Leistungen, welche Fürst Bismarck als Neichskanzler und preu- 
ßischer Ministerpräsident auf den verschiedenen Gebieten der inneren Politik und Ge- 
setzgebung des Deutschen Neiches und Preußens sowie in der auswärtigen Politik von 
1871—78 vollbrachte, werden erst dann gerecht gewürdigt, wenn man betrachtet, 
mit welchen außerordentlichen Schwierigkeiten und Neibungen der große Staatsmann 
nahezu auf jedem Schritte seiner Bahn zu kämpfen hatte. Viele dieser „Friktionen“, 
wie Bismarck felbst sie nannte, lassen sich nur ahnen. Soweit sie aber aus zuverläs- 
sigen Qnellen sich darstellen lassen, muß darüber mit rückhaltloser Wahrheitsliebe be- 
richtet werden, gerade weil es sich um die Beeinflussung oder Durchkreuzung der Poli- 
tik Bismarcks handelt. 
Daß die Mitglieder und „Fielbewußten“ Wähler der ultramontanen und sozial- 
demokratischen Fraktion sich zu Bismarcks erbittertsten und rücksichtslofesten Gegnern 
zählten, das war nicht zu verwundern. Bezeichnend für Gattung, Gemüt und Er- 
ziehung dieser Widersacher und neu in der deutschen Volksvertretung und Preßlitteratur 
war aber der Ton und die Maßlosigkeit ihrer persönlichen Angriffe auf den Kanzler in 
Wort und Schrift: im Neichstag, vor den Wählern, in der Presse, in Flugschriften und 
Büchern, welche ihrem fanatischen Hasse frönten. Nahezu dasselbe Maß von Ab- 
neigung und Feindseligkeit gegen den Kanzler offenbarten auch die dem Zentrum ver- 
wandten Polen, Welsen, die elsaß-lothringischen Französlinge. Nicht minder die 
unbelehrbaren (in Wahrheit „blinden“) Hessen, welche für die Wiederherstellung des 
kurfürstlichen „Nechtszustandes“ im ehemaligen Kurhessen schwärmten, jenes „Rechts- 
zustandes“, der in den Tagen der verflossenen kurfürstlichen Herrlichkeit von der 
Tyrannenwillkür der Landesväler stets mit Füßen getreten worden war, so daß von 
einem „Nechtszustand“ erst seit der Annexion des Landes an Preußen die Rede sein 
konnte. Zu diesen unversöhnlichen Hassern Bismarcks gesellten sich endlich die An- 
hänger der süddeutschen „Volkspartei“ in Schwaben, Frankfurt 2c. vom Schlage der 
Karl Mayer, Prokst und Sonnemann, des „Stuttgarter Beobachters“ und der „Frank- 
furter Zeitung“. Dem Abgeordneten Eugen Nichter aber gebührt das zweifelhafte 
Verdienst, auch die deutsche Fortschrittspartei mehr und mehr zu einer grumdsätzlich 
verneinenden, dem Reichskanzler persönlich seindseligen Partei umgewandelt zu haben, 
während sie von 1867—70 im Norddentschen Bunde und in den ersten Jahren 
des neuen Reiches in allen liberalen Fragen und manchmal auch in den nationalen 
Angelegenheiten Bismarck unterstützte, wenn sic auch dabei immer eine gegen ihn und 
die übrigen Parteien stark kritisierende und räsonierende Thätigkeit entsaltete. 
Zu seinen unbedingten Anhängern im Reichstage konnte Fürst Bismarck meist 
die Freikonservativen rechnen, wenn auch von diefen einzelne Abgeorduete in einzelnen, 
freilich im Verhältuis untergeordneten, Fragen gegen die geschlossene Zahl ihrer 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.