Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

226 I. 13. Fürst Bismarck und die Parteien. „Friltionen.“ (1871—/78.) 
der damit angedrohten demagogischen Uberstürzung auch sein mochte und in der That gewesen 
ist." (II, 377.) 
Denselben Gedanken entwickelte er am 25. März von Lugano aus weiter in 
einem Briefe an Blanckenbung: 
„Mitl den neuen Aufgaben unserer inneren und äußteren Politik sind auch neue Zicie in den 
Vordergrund getreten, die nicht identisch mit den alten sind. Die Konserwativen, die dies nicht 
fassen, wie der einarmige A. (von Arnim-Kröchtendorff) und andere, sind daher auch für die be- 
vorstehenden Evolntionen nicht geschickt und nicht geschult, um deswillen aber auch gewiß nicht 
berechtigk, sich für dic richtigen Königsfreunde zu halten und zu preisen. Aus diesem Lager so 
viele als möglich in das des konservativen Fortschritts hinüberzuziehen und zu verftändigen, 
das hatte ich für die Aufgabe einer neuen Partei-Organisation, für die Bismarck bisher nichts, 
ja weniger als nichts gethan hat.“ (II, 379.) 
Auch Noon selbst hat dafür „nichts gethan“, als diese höchst vernünstige Au- 
regung in Briefen gegeben, welche ohnehin „nur für die allervertrautesten Kreise zur 
Mitteilung geeignet“ erklärt wurden. Wahrscheinlich haben sich dem Briesschreiber 
bei genanerem Nachdenken über die Sache zwei unliebsame Uberzeugungen ausge- 
drängt: erstens die, daß die Anfstellung eines „konservativen Fortschritts“--Programms 
in sich selbst doch erhebliche Schwierigkeiten biete; und zweitens die andere, daß, wenn 
auch ein solches Programm geglückt wäre, die Konservativen selbst gar nicht daran 
dachten, „die Rolle des Hemmschuhs aufzugeben“ und sich zu einer Partei des „kon- 
servativen Fortschritts“ aufzuschwingen. Auch in Noons Natir selbst fehlte es an jedem 
„Tropfen demokratischen Oles“, um diesen Docht des „Fortschritts“ der konservativen 
Partei fortglimmen zu lassen. Höchst bezeichnend ist, daß der Nesse Noons, der kon- 
servative Führer v. Blanckenburg, als Antwort auf die Mahnungen des Onlels aus 
der Reichstagssitzung vom 23.April 1868, in der die Nationalliberalen beim Bundes- 
schuldengesetz ihrerseits den ersten Konflikt mit Bismarck in Szene gesetzt hatten, jubelud 
berichtet: „Der Bruch der Freundschaft mit den Nationalliberalen ist der segensreichste 
Teil dieser Assaire!“ Freilich trog diese Hossnung, da die Nalionalliberalen viel real- 
politischer veranlagt waren und handelten als die Konservativen. Blanckenburg muß 
denn auch gleich hinzusetzen: „Die Verstimmung der Konservativen (gegen Bismarck) 
ist leineswegs beseitigt, nur verkleistert“ (II, 384). Daß auch Bismarck zu dieser 
„Verstimmung“ guten Grund hatte, gesteht Blanckenburg in einem späteren Briese 
an Noon vom 8. Oktober 1869, nachdem er eben längere Zeit in Varzin bei Bismarck 
geweilt hatte, in den Worken zu: „Seine herben Urteile über seine Kollegen (den 
Finanzminister v. d. Heydt, Mühler, Itzenplitz) und die Konservativen (er nimmt bei 
den Aussällen jedesmal Dich und mich aus) sind ja zum größten Teil völlig gerecht 
und nicht neu.“ Gleichwohl trübt die Parteibefangenheit auch bei diesem Freunde Bis- 
marcks die Erkenntnis der wirklichen Dinge so weit, daß er fortfährt (II, 408 fl.): 
„Mögen nun aber die Konservativen noch schiechter sein, wie er (Bismarck) sie schildert, 
ohne dieselben wird er nimmermehr Preußen in anständiger Form in Deutschland ausgehen 
machen, was (richtig verstanden) allerdings noch das mögliche gute Ziel ist. Will er dies Wert! 
allein mit den Liberalen vollziehen, so führt es unsehlbar zur Republik. Man kann den Libe- 
ralen nicht gerecht werden, wenn man nicht ihr ganzes Programm erfülll, und dazu gehört in 
 
	        
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