Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

Lassalle. Becker, v. Schweitzer. Marx. 253 
Inzwischen war jedoch innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung eine neue, von 
Lassalles nationalem und im ganzen gesetzlichem Gepräge völlig verschiedene RNichtung 
aufgelommen. Sie war schon ersfüllt von dem vaterlandslosen, revolutionären und 
kommunistischen Geiste, welchem unsere heutige deutsche Sozialdemokratie allein folgt 
und anhängt. Der geistige Vater dieser Gattung ist Karl Marx, 1818 in Trier ge- 
boren, durch angeblich philosophische Studien von der ihm bestimmten Rechtswissen- 
schast abgezogen, seit 1843 im Ausland, aufangs in Paris, 1845 in Brüssel, später 
und bis zu seinem 1883 erfolgten Tode in London. Sein deutsches Vaterland hat 
er nie wiedergesehen; er hat es gehaßt wie kein Zweiter, außer etwa seinem Schüler 
Wilhelm Liebknecht. Karl Marx begann schon 1845 in Brüssel seine agitatorische Thätig= 
keit und hat fast 40 Jahre lang dieses traurige Handwerk der Aufwiegelung und 
Verhetzung der ungebildeten Massen durch die niedrigsten Leidenschaften betrieben bis 
an sein Lebensende. Einer seiner glühendsten Bewunderer, der preußische Exleutnant 
v. Techow, der in den fünfziger Jahren die Verbannung in London mit Marx teilte, 
vermag nichts Besseres über ihn zu berichten, als: 
„Ich bedaure um unseres Zieles willen, daß dieser Mensch nicht neben seinem eminenten 
Geiste ein edles Herz zur Verfügung zu stellen hat. Aber ich habe die Uberzeugung, daß der ge- 
fährlichste persönliche Ehrgeiz in ihm alles Gute zerfressen hat. Er lacht über die Narren, die ihm 
seinen Proletarierkatechismus nachbeten, so gut wie über die Kommunisten und die Vourgeois. 
Trotz all seiner Versicherungen vom Gegenteile habe ich den Eindruck mitgenommen, daß seine 
persönliche Herrschast der Zweck all seines Treibens ist.“ 
So schrieb sein Bewunderer. Ein hervorragender Vertreter deutscher Geschichts- 
wissenschaft dagegen, Heinrich von Treitschke, urteilte über ihn: 
„Das Eine, was den Gelehrten macht, sehlt Marx gänzlich: das wissenschaftliche Gewissen. 
Hier ist keine Spur von der Bescheidenheit des Forschers, der im Bewußtsein des Nichtwissens 
an seinen Stoff herantritt, um unbefangen zu lernen. Was bewiesen werden soll, steht für Marx 
von Haus aus fest. Der ganze Abstand zwischen dem Gelehrten und dem Rabulisten kritt uns 
vor Angen. Und ist es nicht kindlich naiv, von Karl Marx die objektive Unbefangenheit des For- 
schers zu erwarten? Seil einem Menschenalter schürt er jede Tollheit eines heimatlosen Radilalis- 
mus. Mit all seiner Gelehrsamkeit ist er eine rohe Natur geblieben. Von den idealen Mächten, 
welche die Gesittung der Völker bestimmen, weiß er nichts.“ 
Schon 1847 legte Marx die erste Probe seines wühlerischen Agitationstalentes 
ab durch das von ihm und Engels gemeinsam verfaßte „Manifest der kommunistischen 
Partei“, welches schon die Grundzüge des Glaubensbekenntnisses unserer heutigen 
Sozialdemokratic enthält, den Klassenhaß gegen die „Bourgeosieklasse“ und gegen den 
ganzen modernen Staat, den „gewaltsamen Umsturz“ aller bisherigen Gesellschafts- 
ordnung predigt und kein Hehl daraus macht, daß, sobald einmal die überwältigende 
Mehrheit moralisch zersetzt, erbittert und mit der bestehenden Ordnung genügend zer- 
sallen sei, die Gewalt und nur die Gewalt als „Geburtshelferin“ der neuen Welt 
eintreten müsse. Das Manisest schließt mit der Losung unserer heutigen Sozial- 
demokratie: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Das Vaterland, das Volks- 
tum hat keinen Boden und Naum mehr in dieser Bewegung, welche gesetzlos und 
gewaltthätig über alle Grenzen staatlicher und gesellschaftlicher Ordnung hinausflutet.
	        
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