Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

328 II, 2. Bismarcks Wirtschaftspolilk im Reichslag 1879. Politische Folgen. 
helsen wolle, als die Konsumemen, welche man bestenern wolle, getrossen würden. 
Sein Fraktionsgenosse Ochelhäuser dagegen erklärte: „In Bezug auf die Finanz- 
reform, auf die Notwendigkeit, das Reich felbständig zu machen und die direkten 
Steuern zu ermäßigen, stehe ich völlig auf dem Standpunkt des Reichskanzlers.“ 
Ferner erklärt sich dieser Nedner durchaus für die Tabakssteuervorlage und für die 
Finanzzölle. Dagegen wünscht er eine Verschiebung der Bransteuervorlage, und „hin- 
sichtlich der wirtschastlichen Zölle hört sein Einverständnis wesentlich auf“. Von den 
umfassendsten Gesichtspunkten ging Bennigsen aus, der am vierten Tage der General= 
debatie das Wort ergriff. Zugleich betonte er nachdrücklich die Bereitwilligkeit für 
sich und seine politischen Freunde, dem Neichskanzler weit entgegenzukommen. Daß 
die Konservativen (Minnigerode, Kardorsf, Varnbüler) bedingslos ihre Zustimmung 
zu den Vorlagen erklärten, und daß die Fortschrittspartei durch Eugen Nichter ebenso 
umbedingt Nein sagte, bedarf kamm der Erwähnung. Das Zentrum sprach am zweiten 
Tage durch Reichensperger (Olpe) warm für die wirtschaftliche Neform, behielt sich 
aber betresss der Finanzzölle immer noch „sreie Hand“ vor. In gleicher Weise un- 
gefähr äußerte sich Windthorst am letzten Tage der Debatte. 
Zuvor schon, am 8. Mai, hatte Lasker seinen Gegensatz zu Bennigsen gleich in 
der Generaldebatte vor versammeltem Kriegsvolk aller Welt kundgethan. Es war 
die taktloseste und ungeschickteste Rede, die der sonst so klare und sich selbst beherrschende 
Mann bis dahin gehalten. Wie ein vorausfallender Schatten seines späteren unheil- 
baren Nervenleidens erscheint sie uns beim Nachlesen. Der Mann, der 1848 als 
achtzehnjähriger Student der Mathematik von Breslau nach Wien geeilt war, um 
umter Nobert Blum „für die Freiheit“ zu fechten, der dann im Kampfe für die „Frei- 
heit, die ich meine“, aber auch im redlichen Kampfe für Deutschlands Macht und Größe 
alles geopfert hatle, was das Herz und der Ehrgeiz des Mannes für sich selbst begehrt, 
ein eigenes Heim, die aufsteigende Lausbahn des Veruses, Glücksgüter, nach denen seine 
Hand nur zu greifen branchte, er, der endlich im Kulturkampse einer der treuesten 
und tapfersten Streiter des Staates gewesen, er begrüßte jetzt, am 8. Mai 1879, das 
zu erwartende Zusammengehen des Zentruns mit der Regierung in einem fast be- 
geisterten Ausischwung als hohen Gewinn für das Neich! Aber noch schwerer in der 
Wage seiner Schuld wogen Laskers harte, ungerechte, leidenschaftliche Anklagen gegen 
Bismarck. Denn er warf dem Kanzler vor: 
„in dem Brieswechsel mit dem Freiherrn von Thüngen sei alles überschritten, was bisher an 
agrarischen Exiravaganzen geleistet worden sei; damit werde ein grundsählicher Krieg zwischen 
Stadl und Land erösfnet, der sich auch aus das potilische Gebiet ausdehne“. Er nannie Bismarcks 
Angaben über die Veslencrungslasten der Landwirtschaft wenig zuverlässig und warnie davor, 
ihnen Glauben zu schenken; „größere Ubertreibungen, wenn auch unbewußt, seien noch niemals 
ausgesprochen worden. Der Reichslanzler kenne die Gesetze seines Landes nicht, die er zur Grund- 
lage seiner Finanz- und Wirtschaftspolitik mache. Der Schuy für den Grundbesitz sei eine Finanz- 
politik der Besitzer gegen die Nichtbesitzer.“ 
Bismarck hatte nicht die Absicht gehabt, an diesem Tage das Wort zu ergreisen. 
Er war während dieser Rede nicht einmal im Neichstag anwesend. Er eilte aber sofort 
herbei, nachdem er vernommen, daß Lasker ihn angegrissen habe. Graf Wilhelm
	        
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