26 I. 2. Der ersic deulsche Reichslag. Die Entstehung des Zeutrums.
tenburg unterwarf sich vorläusig noch nicht. Vergessen war von den Herren, daß sie
im September 1869 an derselben Grabstätte des heiligen Bonifacius für „unmöglich“
erklärt hatten, das Konzil werde eine „neue Lehre verkünden und Grundsätze auf-
stellen, welche den Interessen des Christentums und der Kirche nachteilig“ wären. Ver-
gessen hatten die Herren auch, daß sie selbst in Rom die neue Lehre als verderblich
und gefährlich erklärt und deshalb verlangt hatten, daß diese gar nicht zur Beratung
vorgelegt werde; vergessen, daß sie gegen die unwürdige Uberstürzung der Beratung
und Vergewaltigung der Minderheit feierlich Verwahrung eingelegt hatten. Denn in
dem neuen Fuldaer Hirtenbriefe offenbarten sie ihren Herden, daß nur:
„in den vielfach irrigen Ausfasiungen, welche seit Monaten über das Konzil verbreilel wor-
den sind“, der Grund der osfentüichen Veunruhigung lege. Durch die Belchtußsasiung des Lon-
vertreter chrint und den mil ihm vereinigten Epislopal gesprochen, und dazer müssen ene, die
Bischöfe, Priester und Gläubigen, diese Eutscheidungen als göttlich osfenbarte Wahrheilen mit
festem Glanben annehmen und mit freudigem Herzen erfassen und bekennen, wenn sie wirklich
Glieder der katholischen Kirche sein und bleiben wollen!“
Anch diese wundersame Haltung des deutschen Episkopats vermochte den von
Bismarck geleiteten dentschen Staat nicht ans seiner ruhig abwartenden Haltung zu
bringen. Im Gegenteil hatte der Pap#t gerade jetzt Gelegenheit, sich davon zu über-
zeugen, wie friedfertig und wohlwollend Preußen und Deutschland auch nach der vati-
kanischen Kriegserklärung noch gegen Rom gesinnt sei. Am 7. Oktober 1870 nämlich
richtete der prenische Gesandte in Nom, Graf Arnim, im Auftrage der Kurie die
vertrauliche Anfrage an Bismarck nach Versailles, ob der Papst anf die Verwendung
des Königs werde rechnen können, wenn er Nom verlasse. Bismarck beiabte nicht bloß
die Frage, sondern ließ auch dem italienischen Hose in Florenz die Er
daß der Norddentsche Bund, so wenig er in fremde Angelegenheiten nnanfgesorder
sich mischen werde, doch der Rücksicht auf seine kakholischen Unterthanen schuldig sei,
jür die Würde und Unabhängigkeit des Papstes sich zu verwenden. Als um dieselbe
Zeit der Erzbischof von Posen, Grasf Ledochowski, den König in einer Denkschrift um
die guten Dienste Dentschlands für den beranbten Papfst ersuchte, erhielt er eine ireund=
liche Einladung in das Hauptqnartier nach Versailles. Und von den dortigen Ver
handlungen waren Erzbischof und Papst so befriedigt, daß letzterer noch am 6. März
1871 dem Kaiser als Anwort auf die Anzeige der Wiederanfrichtung des Kaiserums
lebhafte Elnckwüne zu der neuen Wirrde sandie. Er hrieb.
ches, wie Vir vertrauen, unter dem m#eu Gottes für dos auf das augemeine Le gercchtet
Bestreben Eurer Majeftät nicht allein Deutschland, sondern ganz Europa zum Heil gereichen
wird. Ganz besonderen Dank aber sagen Wir Eurer Majestät, für den Ausdruck Ihrer Freund-
schaft für Uns, da Wir hoffen dürfen, daß derselbe nicht wenig beitragen wird zum Schutze der
Freiheil und Rechte der katholischen Religion.“
Während so in den amtlichen Beziehungen und im persönlichen Verkehr zwischen
Kaiser und Papst noch Friede und Freundschaft herrschte, hatten die Streithähne dies