Verössenklichung der Anllage gegen Gefscken. 507
gegen Bismarck und die eigene blinde, maßlose Eilelleit Gessckens zusammenwirlien, um diese
verbrecherische Verössenllichung hervorzubringen.
Wenn das Reichsgericht trotz alledem annahm, daß der Angeklagte nicht mit dem
vom Gesetz erforderten Bewußtsein gehandelt habe, daß der fragliche Artikel Nach-
richten, deren Geheimhaltung anderen Regierungen gegenüber für das Wohl des
Deutschen Reiches erforderlich war, enthalte, so war wohl die Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit dentscher Rechtsprechung glänzend dargethan, und die unmittelbar
folgende Verösfentlichung der Anklageakte hinterließ in den weitesten Kreisen Dentsch-
lands den Eindruck, daß der Angeklagte jedenfalls eher zu mild als zu streng vom
Reichsgericht beurteilt worden sei.
2. Anfänge der Wilhelms II.
Wir treten ein in die letzte Zeitspanne, welche von diesem Werke umfaßt wird,
in den für unbefangene Darstellung und abschließende Beurteilung weitaus schwierig-
sten Zeitabschnitt. Die ruhig abgeklärten Quellen der Archive, aus denen bei der Ent-
wickelung früherer Ereignisse geschöpft werden konnte, hören hier anf zu fließen. Die
Zahl anderer amtlicher Quellen ist eine beschränkte, die Ausbente, welche sie liesern,
also dürftiger. Mit vorlanter Anmaßlichkeit dagegen drängt sich das befangene Urteil
politischer Führer und Parteiorgane, des Strebertums, des Standes= und Klassen-
interesses an jeden Leser der Tagespresse und politischen Tageslitteratur heran, um
anch dessen Urteil einseitig zu beeinflussen und befangen zu machen.
Die Regierungen Kaiser Wilhelms I. und Friedrichs III. haben freilich bei
weitem nicht alle Fragen zur Lösung gebracht, die unter jenen Herrschern auftanchten
oder von ihnen aus früheren Tagen übernommen waren und von da ab das Leben
des deutschen Volkes erfüllten und bewegten. Manche dieser Fragen wird ihrer Lö-
sung noch harren in Tagen, die kein jetzt Lebender mehr schanen wird. Aber das
Charakterbild der heimgegangenen beiden ersten deutschen Kaiser liegt abgeschlossen
vor uns, nicht minder das Wesen ihrer Uberzeugungen, Bestrebungen, das Maß ihrer
Erfolge. Der Tod hat unter der Summe ihrer Lebenstage und Lebensthaten den
abschließenden Strich gezogen. Wer die Ergebnisse ihrer Negierungszeit, ihres geschicht-
lichen Wirkens berechnen will, braucht nur richtig zusammenzuzählen und richtig ab-
zuziehen; ja, auch richtig abzuziehen, denn das Urteil der Geschichte darf nicht dem
Spruche solgen: „Von den Toten nur das Gute!“ Aber noch weniger der Losung:
„Von den Lebenden nur das Gute!“ Der letzte Abschnitt der Zeitgeschichte, den
dieses Werk bietet, erfordert daher zu seiner richtigen Darstellung und Würdigung ganz
besonders die sorgfältigste Prüfung der benutzten Quellen auf ihre Zuverlässigkeit und
Wahrhaftigkeit und den rückhaltlosesten Freimut betreffs der Ergebnisse, welche zuver-
lässiger geschichtlicher Stoff bietet.
Im Mittelpunkte und an der Spitze der Dinge, von denen wir berichten, steht seit
dem Heimgang Kaiser Friedrichs am 15. Juni 1888 der junge Kaiser Wilhelm II.
Kegierung Ruiser
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