670 III, 7. Die Entlassung des Fũrsten Bismarck (März 1880).
Dem durch Lucanus überbrachten bestimmten Besehl des Kaisers, daß Fürst
Bismarck seine Entlassung einreichen solle und müsse, hatte dieser natürlich nichts
mehr entgegenzusetzen; auch keins der politischen und Gewissensbedenken, die er zuvor
dem General Hahncke mitgeteilt hatte, und die der Kaiser im Bewußtsein seiner eigenen
politischen Begabung als völlig belanglos angesehen haben mußte, da er anf Bis-
marcks Entlassung bestand. Der Fürst hatte diesem bestimmten Befehl gegenüber das
Gefühl, „schön heraus“ zu sein. Nur dagegen sträubte er sich, daß er die Erklärung,
welche der Kaiser von ihm forderte, in der kurz bemessenen Frist von wenigen Stunden
anfertigen solle. Er sei bereit, seine schlichte Absetzung sosort zu unterzeichnen, erklärte
er Herrn von Lucanus; zu einem Abschiedsgesuch aber, welches das latzte amtliche
Schriftstück eines um die Geschichte Deutschlands und Preußens einigermaßen ver-
dienten Ministers bilden müsse, bedürse er längerer Zeit. Das sei er sich und der
Geschichte schuldig. Die Geschichte solle einst wissen, warum er seine Entlassung
erhalten habe. Fürst Bismarck schrieb darauf vom 18. zum 19. März eine eigen-
händige Eingabe an den Kaiser, in welcher er die politische Lage und die Gründe
crörterte, welche ihm, wenn nicht der bestimmte Befehl des Kaisers vorläge, den Rück-
tritt, trotz seiner Jahre und seiner Gesundheitsverhältnisse, im Staaksinteresse nichl
erlaubt erscheinen ließen. Diese umfangreiche Denkschrift begann wohl zunächst mit
einer eingehenden Behandlung der Stellung des Ministerpräsidenten gegenüber seinen
Kollegen im preußischen Staatsministerinm. Dann wird Fürst Bismarck ausgeführ
haben, daß er auch als Reichskanzler, wenn seine Befugnisse beschräukt würden, die
Verantwortung für die Regierung und Politik nicht übernehmen könne, mit Rücksicht
auf unsere Beziehungen zu den auswärtigen Regierungen.
Dieses sogenannte „Entlassungsgesuch“ dürfte also in Wahrheil die nachdrück-
lichste Begründung der Notmendigkeit von Bismarcks Bleiben im Amte enthalten haben.
Daß diese Begründung mit der ganzen Wucht und überzeugenden Kraft einer Staats-
schrift Bismarcks geführt sein wird, läßt sich bei der großen Wichtigkeit, welche der
Fürst auf ihre Abfassung legte, ohne weiteres venmuten. Diese Vermutung wird
aber beinahe zur Gewißheit durch die Thatsache, daß Fürst Bismarck bei jedem An-
griff, welchen die Leiter des „neuen Kurses“ später gegen ihn richteten, inmmer ver-
geblich diese Leiter anfforderte, doch seine Denkschrift vom 18. März 1890 zu ver-
ösfentlichen. Sie wußten jedenfalls, warum sie das nicht thaten.
Diese Denkschrift erhielt der Kaiser erst gegen Mittag des 20. März, und er konnte
das umsangreiche Schriftstück nur eben durchgelesen haben, als wenige Stunden später
die beiden Chefs des kaiserlichen Zivil= und Militärkabinetts, Lucanus und Hahncke,
dem Fürsten Bismarck bereits die Entlafsung brachten. Das Kabinetts-
schreiben lautet in seinen Hauptsätzen:
„Mein lieber Fürst! Mit tiefer Bewegung habe Ich aus Ihrem Gesoche vom 18. dieses
Monats ersehen, das Sie entschlossen sind, von den Kmtern zurückzutreten, welche Sie seit lan
gen Jahren mil unvergleichlichem Erfolge geführt haben. Ich hatie gehofft, dem Gedanken, Mich
von Ihnen zu treunen, bei unseren Lebzeiten nicht näher treten zu müssen. Wenn ich gleichwohl
im vollen Bewuszisein der solgenschweren Tragweite Ihres Rücktrittes jetzt genötigt bin, Mich
mil diesem Gedanlen vertrant zu machen, so thue Ich dies zwar betrübten Herzens, aber in der