Full text: Unsere Sozialdemokratie im Spiegel der ersten französischen Revolution.

16 Unsere Sozialdemokratie 
Sie Schulden haben und sogar viele“, da erwiderte der Prälat 
mit der ironischen Gelassenheit des französischen Grandseigneur: 
„Sire, ich will mich darüber bei meinem Intendanten erkun- 
digen, und dann werde ich die Ehre haben, Eurer Majestät 
darüber Bericht zu erstatten“. 
Kein Wunder übrigens, daß die armen kleinen Edel- 
Motten und die großen leuchtenden Schmetterlinge der Provinz 
gleichmäßig zu dem strahlenden königlichen Lichte von Versailles 
sich hingezogen fühlten und sich männiglich dort die Flügel ver- 
brannten. Denn selbst ein so kühler Denker und ein so ge- 
schmeidiger Staatsmann wie Fürst Talleyrand, der durch die 
alte Königszeit und die Revolution, durch das erste Kaiserreich 
und in den Tagen der heiligen Allianz und der Wiedereinsetzung 
der Bourbonen nach 1815 sich immer obenauf zu halten ver- 
stand, sagte am Ende seines wechselvollen Daseins: „Niemand 
kennt die Süßigkeiten des Lebens, der nicht vor 1789 den Hof 
von Versailles besucht hat“. In der That hat feiner und an- 
mutiger Genuß seit den Glanztagen der italienischen Renaissance 
nie ein froheres Leben gesehen als in Versailles. Aber diese 
sonnigen Tage brachten auch die französische Krone an den Ab- 
grund, an das Ende mit Schrecken! Ihr Vorrecht war das 
ungeheuerlichste von allen. Zwei Dinge sind dem besten Men- 
schen verhängnisvoll: der Mangel an Arbeit und der Mangel 
an Selbstbeschränkung. Das geht über Menschennatur. Und 
beide waren dem König von Frankreich seit Ludwig XIV. im 
reichsten Maße zu teil, so daß Friedrich der Große das tiefe 
Wort sprach: „wenn er König von Frankreich wäre, ließe er 
sich noch einen König machen“, d. h. einen, der die nichtige 
Außerlichkeit übernähme, von welcher das Leben der französischen 
Könige erfüllt war. Und damit hatten auch sie im Laufe eines 
Jahrhunderts vollständig abgewirtschaftet, hatten sie Krone, Volk 
und Reich an den Rand des Bankerutts und Verderbens ge- 
bracht. Alles, was der Krone Einkünfte brachte, war seit Jahren 
und Jahrzehnten in Pacht= und Erbpacht gegeben, die Offiziers- 
wie die Richterstellen und auch das Recht waren leider käuflich!
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.