im Spiegel der ersten französischen Revolution. 53
von sich selbst, um sich noch in anderer Weise souverän zu
fühlen, als mittels seines Stimmrechtes, und die öffentlichen
Angelegenheiten nicht mit größeren Bedenken in die
Hand zu nehmen, als seine Privatangelegenheiten, um
soweit zu gelangen, geraden Weges und mit Gewalt, um sich
und seine Coterie (Sippschaft) aufzuspielen als Führer,
Censor und Vormund seiner Regierung, um sich zu
überzeugen, daß er mit der Mittelmäßigkeit seiner Er-
ziehung und seiner Einsicht, mit seinen vier Brocken Latein
und seinen Lesefrüchten aus der Leihbibliothek, mit seinen Nach-
richten aus der Zeitung und dem Café, mit seiner Erfahrung
aus Gemeinderat und Klub, im stande sei, alle die unge-
heuren und verwickelten Fragen glatt durchzuschneiden,
an welche überlegene und fachkundige Menschen nur
zögernd herantreten. Anfangs war dieser Eigendünkel nur
ein Keim in ihm, und in gewöhnlichen Zeiten würde er aus
Mangel an Nahrung im Zustande modernden Schimmels oder
einer vertrockneten Leibesfrucht geblieben sein. Aber das Herz
kennt die merkwürdigen Samen nicht, die es in sich
trägt: irgend eines dieser Körnchen, schwach und harm-
los von Aussehen, braucht nur Luft und Nahrung zu
begegnen, um ein giftiger Auswuchs, ein kolossales
Wuchergebilde zu werden!
Der Jakobiner gleicht einem Hirten, der plötzlich in einem
verborgenen Winkel seiner Hütte Pergamente entdecken würde,
welche ihn zur Krone berufen. Welcher Gegensatz zwischen der
Erbärmlichkeit seines Standes und der Wichtigkeit, mit welcher
die Lehre ihn bekleidet. Mit welcher Inbrunst umarmt er ein
Dogma, welches ihn in seinen eigenen Augen so hoch empor-
hebt! Er liest wieder und wieder emsig die Erklärung der
Menschenrechte, die Verfassung, alle amtlichen Schriften, welche
ihm diese ruhmvollen Vorrechte übertragen; er füllt damit seine
Einbildung, und sofort nimmt er auch den Ton an, welcher
seiner neuen Würde entspricht. Es gibt nichts hoch-
mütigeres und unverschämteres als diesen Ton. Esistder